Türkisches Gambit
bekam einen Passierschein und wurde nicht enttäuscht.
Der Verurteilte hatte sich die Stimmbänder beschädigt und konnte nur noch krächzen, darum fiel das letzte Wort weg. Es gab ein langes Gezänk mit dem Arzt, der erklärte, dieser Mann könne nicht gehängt werden, denn die Schnittwunde werde sich öffnen und der Gehängte direkt durch die Luftröhre atmen. Der Staatsanwalt und der Gefängnisdirektor ratschlagten und befahlen dem Henker, ans Werk zu gehen. Der Arzt behielt jedoch recht: Unter dem Druck der Schlinge platzte die Wunde sofort auf, und der am Strick baumelnde Delinquent schnappte mit schrecklichem Pfeifen nach Luft. Er hing fünf, zehn, fünfzehn Minuten und starb nicht, nur sein Gesicht lief blau an.
Man beschloß, den Richter zu holen, der das Urteil gesprochen hatte. Da die Exekution in aller Frühe stattgefunden hatte, dauerte es eine Weile, den Richter wachzukriegen.Nach einer Stunde kam er und fällte eine salomonische Entscheidung: den Gehängten herunterzunehmen und nochmals zu hängen, diesmal aber die Schlinge nicht oberhalb, sondern unterhalb des Schnitts zuzuziehen. So geschah es. Die Hinrichtung verlief erfolgreich. Da haben Sie die Früchte der Zivilisation.«
Der Gehängte mit der lachenden Kehle erschien Warja nachts im Traum. »Es gibt keinen Tod«, sagte die blutende Kehle mit der Stimme von d’Hévrais. »Es gibt nur die Rückkehr an den Start.«
Aber die Rückkehr an den Start stammte von Sobolew.
»Ach, Warwara Andrejewna, mein ganzes Leben ist ein Hindernisrennen«, hatte ihr der junge General gesagt und bitter das kurzgeschorene Haupt geschüttelt. »Nur nimmt mich der Richter immer wieder aus der Distanz und schickt mich zurück an den Start. Urteilen Sie selbst. Angefangen als Gardekavallerist, im Krieg gegen Polen ausgezeichnet, aber dann eine dumme Geschichte mit einer jungen Polin – und zurück an den Start. Die Akademie des Generalstabs absolviert, Ernennung nach Turkestan, aber dann ein idiotisches Duell mit tödlichem Ausgang – und wieder an den Start. Eine Fürstin geheiratet, auf Glück gehofft – von wegen! Wieder allein. Wieder freiwillig in die Wüste gemeldet, mich selbst und die Leute nicht geschont, wie durch ein Wunder am Leben geblieben – und wieder nichts. Ich vegetiere als Kostgänger und warte auf einen neuen Start. Ob ich ihn erlebe?«
Sobolew, anders als d’Hévrais, tat Warja nicht leid. Erstens kokettierte er mit seinem »Start« – immerhin war er mit dreiunddreißig General der Suite, hatte zwei Georgskreuze und einen goldenen Degen. Zweitens versuchte er gar zu offen Mitleid zu schinden. Wahrscheinlich hatten ihm schon aufder Offiziersschule die älteren Kameraden gesagt, ein Sieg in der Liebe sei auf zwei Wegen erreichbar: entweder durch eine Kavallerieattacke oder durch das Schaufeln von Laufgräben zum mitleidigen Frauenherzen.
An den Laufgräben schaufelte Sobolew ziemlich ungeschickt, dennoch schmeichelten Warja seine Bemühungen, immerhin war er ein richtiger Held, wenngleich mit dem blöden Besen im Gesicht. Auf ihre taktvollen Ratschläge, die Form des Bartes zu ändern, verlegte sich der General aufs Feilschen: Er sei bereit, dieses Opfer zu bringen, aber nur gegen gewisse Garantien. Solche zu gewähren lag freilich nicht in Warjas Absicht.
Vor fünf Tagen hatte Sobolew ihr glücklich mitgeteilt – endlich habe er eine eigene Abteilung bekommen, zwei Kosakenregimenter, er werde am Sturm auf Plewna teilnehmen und die Südflanke des Korps decken. Warja wünschte ihm einen erfolgreichen Start. Als Stabschef hatte er Perepjolkin zu sich geholt, über den er sich folgendermaßen äußerte:
»Er kam immer wieder und bettelte und guckte mir in die Augen, da hab ich ihn eben genommen. Und was meinen Sie, Warwara Andrejewna? Jeremej Ionowitsch ist zwar ein Langweiler, aber gescheit. Kommt immerhin vom Generalstab. In der Operationsabteilung kennen sie ihn, versorgen ihn mit nützlichen Informationen. Außerdem ist er mir persönlich ergeben – hat nicht vergessen, daß ich ihn aus den Klauen der Baschi-Bosuks gerettet habe. Und ich bin sündig genug, die Ergebenheit meiner Untergebenen sehr zu schätzen.«
Sobolew hatte jetzt genug um die Ohren, aber vorgestern hatte seine Ordonnanz Serjosha Berestschagin ihr von Seiner Exzellenz einen üppigen Strauß rote Rosen gebracht. Die Rosen standen wie die Recken von Borodino, und die Blütenfielen nicht ab. Das ganze Zelt war voll von dem schweren öligen Duft.
In die Bresche, die
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