Türkisches Gambit
schwindelerregender Kuß.
Endlich, als Warja schon zu ersticken glaubte, stieß sie den Rittmeister zurück und griff sich ans Herz.
»Oi, gleich bekommen Sie eine Ohrfeige«, drohte sie mit schwacher Stimme. »Gute Menschen hatten mich gewarnt, daß Sie mit unsauberen Mitteln spielen.«
»Für die Ohrfeige fordere ich Sie zum Duell. Und dawerde ich zweifellos besiegt«, gurrte Surow mit rollenden Augen.
Ihm böse zu sein war einfach unmöglich …
Ihre Gedanken wurden unterbrochen – das runde Gesicht der einfältigen Luschka, die bei den Krankenschwestern die Pflichten eines Hausmädchens, einer Köchin und, wenn es viele Verwundete gab, auch einer Pflegerin versah, sah zum Zelt herein.
»Fräulein, ein Offizier erwarten Sie«, stieß sie hervor. »Schwarz, mit Schnurrbart und Blumenstrauß. Was soll ich ihm ausrichten?«
Er kommt ja aufs Stichwort, der Satan, dachte Warja und lächelte wieder. Surows Belagerungsmethoden hatten sie nachhaltig erheitert.
»Soll warten. Ich komme gleich«, sagte sie und schlug den Vorhang zurück.
Aber bei den Lazarettzelten, wo alles für die Aufnahme neuer Verwundeter bereit war, wartete keineswegs der Rittmeister, sondern der nach Parfüm duftende Oberst Lucan, ein weiterer Bewerber.
Warja seufzte tief, aber zum Rückzug war es zu spät.
»Ravissante comme l’Aurore!« 12 Der Oberst wollte sich über ihre Hand beugen, prallte aber zurück, da er an die fortschrittlichen Frauen dachte.
Warja wies kopfschüttelnd sein Bukett zurück, musterte die von Goldstickereien funkelnde Montur des Verbündeten und fragte unfreundlich: »Schon frühmorgens in Gala?«
»Ich reise nach Bukarest, zum Kriegsrat bei Seiner Hoheit«, teilte der Oberst gewichtig mit. »Jetzt möchte ich mich verabschieden und Sie zum Frühstück einladen.«
Er klatschte in die Hände, da kam eine elegante Kutscheum die Ecke gefahren. Auf dem Bock saß sein Bursche in verwaschener Montur, doch mit weißen Handschuhen.
»Darf ich bitten«, sagte der Oberst mit einer Verbeugung, und Warja, neugierig geworden, nahm auf der federnden Sitzbank Platz.
»Wo soll’s denn hingehen?« fragte sie. »In die Offizierskantine?«
Der Rumäne schmunzelte geheimnisvoll, als wollte er Warja zumindest hinter die sieben Berge entführen.
Der Oberst benahm sich in letzter Zeit überhaupt recht rätselhaft. Nach wie vor saß er nächtelang beim Kartenspiel, aber hatte er in den ersten Tagen seiner unheilvollen Bekanntschaft mit Surow einen gehetzten und unglücklichen Eindruck gemacht, so war er jetzt wieder obenauf, obwohl er immer noch erhebliche Beträge verspielte.
»Wie war das Spiel gestern?« fragte Warja mit einem Blick auf Lucans braune Augenringe.
»Fortuna ist endlich zu mir zurückgekehrt«, sagte der Oberst strahlend. »Surows Glückssträhne ist zu Ende. Kennen Sie das Gesetz der großen Zahlen? Wenn man Tag für Tag große Summen setzt, gewinnt man sie früher oder später mit Sicherheit zurück.«
Soweit Warja sich erinnerte, hatte Petja ihr diese Theorie ein wenig anders erklärt, aber sie mochte nicht streiten.
»Der Graf hat auf seiner Seite den blinden Erfolg, ich die mathematische Berechnung und ein gewaltiges Vermögen. Da, schauen Sie.« Er spreizte den kleinen Finger ab. »Ich habe meinen Familienring zurückgewonnen. Ein indischer Diamant, elf Karat. Den hat einer meiner Vorfahren von einem Kreuzzug mitgebracht.«
»Haben denn Rumänen an Kreuzzügen teilgenommen?« fragte Warja verwundert und bekam nun eine Lektion überden Stammbaum des Obersts zu hören, der bis auf den römischen Legaten Lucan Mauricius Tullus zurückginge.
Die Kutsche war mittlerweile aus dem Lager gerollt und hielt jetzt in einem schattigen Hain. Unter einer alten Eiche stand ein Tisch, mit einem gestärkten weißen Tuch bedeckt, und darauf erblickte Warja so viele Leckerbissen, daß sie sogleich Hunger bekam. Da gab es französischen Käse und Obst und Räucherlachs und rosigen Schinken und rote Krebse, und aus einem silbernen Eimerchen blickte eine Flasche Lafite.
Somit waren auch Lucan gewisse Vorzüge nicht abzusprechen.
Als sie das erste Glas hoben, grummelte es in der Ferne, und Warjas Herz krampfte sich zusammen. Wie konnte sie sich nur so ablenken lassen! Der Sturmangriff hatte begonnen. Dort stürzten jetzt Gefallene, stöhnten Verwundete, und sie …
Schuldbewußt schob sie die Schale mit den smaragdgrünen Trauben zurück und sagte: »Mein Gott, wenn dort nur alles nach Plan läuft.«
Der Oberst kippte
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