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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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vorwärts zu den Toren von Zargrad!«
    »Sei still, du Tölpel«, knurrte der puterrote Held. »Zum Teufel mit Zargrad!«
    Gukmassow wich verwirrt zurück. Kaum hatten sich die Türflügel hinter ihm geschlossen, geschah etwas Unerwartetes.
    »Et maintenant, mesdames et messieurs, la parole est à la défense!« 19 erklärte d’Hévrais laut.
    Er hielt plötzlich in der rechten Hand einen Revolver, der zweimal Knall und Feuer spie.
    Warja sah, daß es den beiden Gendarmen auf der linken Brustseite die Montur zerriß. Die Karabiner fielen scheppernd auf den Fußboden, die Gendarmen sanken fast lautlos nieder.
    Die Schüsse hallten in den Ohren nach. Noch ehe Warja schreien oder erschrecken konnte, streckte d’Hévrais die linke Hand aus, umklammerte Warjas Ellbogen, zog sie vor sich, benutzte sie als Schutzschild.
    Gogols »Revisor«, die stumme Schlußszene, dachte Warjastumpf, als sie einen hochgewachsenen Gendarm in der Tür erstarren sah. Fandorin und Misinow zielten mit ihren Revolvern. Misinows Gesicht war wütend, das Fandorins unglücklich. Sobolew breitete die Arme aus und verharrte in dieser Haltung. Mitja Gridnew riß den Mund auf und klapperte mit seinen auffälligen Wimpern. Perepjolkin hob die Hand, um den Kragen zu schließen, und vergaß, sie wieder herunterzunehmen.
    »Charles, Sie sind verrückt!« schrie Sobolew und trat einen Schritt vor. »Sich hinter einer Dame zu verstecken!«
    »Monsieur Fandorin hat bewiesen, daß ich Türke bin«, antwortete d’Hévrais spöttisch. Warja spürte am Hinterkopf seinen heißen Atem. »Und ein Türke macht mit Damen nicht viel Federlesens.«
    »Uuuh!« heulte Mitja, senkte den Kopf wie ein Kalb und stürmte vor.
    D’Hévrais’ Revolver krachte noch einmal, unter Warjas Ellbogen hervor, und der junge Fähnrich stürzte mit einem Wehlaut bäuchlings zu Boden.
    Wieder standen alle starr.
    D’Hévrais zog Warja nach hinten und zur Seite.
    »Wer sich vom Fleck rührt, wird erschossen«, warnte er halblaut.
    Warja hatte das Gefühl, daß sich hinter ihr die Wand öffnete – und plötzlich befand sie sich mit d’Hévrais in einem anderen Raum.
    Ach ja, der Tresor!
    D’Hévrais knallte die Stahltür zu und schob den Riegel vor.
    Sie waren allein.

VIERZEHNTES KAPITEL,
    in welchem Rußland geschmäht wird
und die Sprache Dantes erklingt
    »Regierungsbote« (Sankt Petersburg)
    vom 9. (21.) Januar 1878
    »… bringt einen auf traurige Gedanken. Hier ein paar Daten aus der Rede des Finanzministers, Staatssekretär M. C. Rejtern, die er am letzten Donnerstag auf der Sitzung der Allrussischen Bankvereinigung gehalten hat. 1874 haben wir das erstemal seit vielen Jahren einen Einnahmenüberschuß erzielt, sagte der Minister. Für 1876 errechnete das Staatliche Schatzamt einen disponiblen Überschuß von 40 Millionen Rubel. Aber das knappe Jahr der militärischen Aktionen hat den Staatsschatz 1 Milliarde 20 Millionen Rubel gekostet, und für die weitere Kriegführung sind keine Mittel mehr vorhanden. Da die Ausgaben für zivile Zwecke gekürzt wurden, ist 1877 auf dem Territorium des Reiches keine einzige Werst Eisenbahnstrecke gebaut worden. Die In- und Auslandsverschuldung hat eine nie dagewesene Höhe erreicht und beträgt entsprechend …«
     
    D’Hévrais ließ Warja los, und sie wich voller Entsetzen zur Seite.
    Durch die mächtige Tür drang gedämpftes Stimmengewirr.
    »Anwar, nennen Sie Ihre Bedingungen!« Das war Fandorin.
    »Keine Bedingungen!« (Misinow.) »Öffnen Sie sofort, oder ich lasse die Tür mit Dynamit sprengen!«
    »Sie können Ihrem Gendarmeriekorps Befehle geben!« (Sobolew.) »Wenn gesprengt wird, kommt sie doch um!«
    »Meine Herren!« schrie auf französisch d’Hévrais, der nicht d’Hévrais war. »Das ist unhöflich! Sie lassen mich nicht mit der Dame sprechen!«
    »Charles oder wie Sie heißen!« brüllte Sobolew mit schallendem Generalsbaß. »Wenn Warwara Andrejewna auch nur ein Haar gekrümmt wird, spieße ich Sie auf den Pfahl ohne Untersuchung und Verhandlung!«
    »Noch ein Wort, und ich erschieße zuerst sie und dann mich!« rief d’Hévrais mit dramatisch erhobener Stimme und zwinkerte auf einmal Warja zu, als hätte er einen nicht ganz stubenreinen, aber höchst komischen Witz erzählt.
    Vor der Tür wurde es still.
    »Sehen Sie mich nicht so an, als hätte ich plötzlich Hörner und Hauer, Mademoiselle Barbara«, sagte d’Hévrais mit seiner gewöhnlichen Stimme und rieb sich müde die Augen. »Selbstverständlich werde ich

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