Türkisgrüner Winter (German Edition)
etwas verändert. Die Trübheit war verschwunden, sie glänzten und waren voller Leben. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass er tatsächlich vor mir saß. Elyas war greifbar und der Albtraum der letzten zwei Monate hatte ein gutes Erwachen gefunden. Vorsichtig griff er nach meiner Hand, nahm sie zwischen seine und streichelte sie sanft. Ich lächelte und beobachtete seine Hände, die dieses warme Gefühl auf meiner Haut auslösten, das sich erst in meinem Arm und dann in meinem gesamten Körper verbreitete.
»Ich sollte besser den Wecker stellen, damit du den Termin nicht verschläfst«, sagte ich leise. Er nickte und sein Blick ging für eine Weile ins Leere.
»Denkst du an Jessica?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid. Ich komme mit den Gedanken nicht davon los.«
»Es wäre schlimm, wenn es anders wäre«, sagte ich. »Kein Grund, sich zu entschuldigen.«
Stille kehrte ein, in der Elyas den Kopf senkte und gedankenverloren auf unsere Hände sah.
»Ich glaube, sie wird dir irgendwann sehr dankbar sein, Elyas.«
Er lächelte traurig. »Ich wünsche mir, du behältst damit Recht.«
»Vertrau mir, es wird so sein.« Ich drückte seine Hand und wieder wurde es ruhig zwischen uns beiden. Elyas‘ Augenlider wurden schwerer und es kostete ihn immer mehr Mühe, sie offen zu halten.
»Wollen wir schlafen?«, fragte ich.
Er nickte, ließ meine Hand los und stand auf, um sich die Hose auszuziehen. Ich versuchte, ihn nicht dabei zu beobachten, aber es blieb bei dem Versuch. Allmählich kam ich mir vor, als hätte ich noch nie einen halbnackten Mann gesehen. In gewisser Weise stimmte das auch, denn einen Mann, den ich so sehr liebte, hatte ich tatsächlich noch nie halb nackt gesehen. Als Elyas meine Blicke bemerkte und sich ein Schmunzeln auf seine Lippen stahl, wandte ich den Kopf schnell von ihm ab und stellte den Wecker auf 8:30 Uhr. Es war bereits mitten in der Nacht, allzu viele Stunden waren es nicht mehr bis dahin. Ich kroch unter die Zudecke, legte mich auf die Seite und linste zu Elyas. Er hing die zusammengelegte Hose über das Bettgeländer und stand in Boxershorts, T-Shirt und leicht verwuschelten Haaren vor mir. Ich lächelte und spürte mein Herz höher schlagen, als er die Bettdecke anhob und sich zu mir legte. Er ließ einen kleinen Abstand und bettete den Kopf auf seinen angewinkelten Arm. Seitlich lagen wir uns gegenüber und sahen uns einfach nur an. Es gab nichts zu sagen. Alles, was wir zu sagen hatten, stand in unseren Augen.
Er nahm meine Hand, die ich vor dem Oberkörper liegen hatte, und fing an sie zu streicheln. Ich öffnete sie und wie von selbst begannen unsere Finger miteinander zu spielen. Ich beobachte die von Elyas, die viel länger waren als meine und sich männlich und trotzdem weich anfühlten. Der Moment wäre so zart wie frisch gefallener Puderzuckerschnee gewesen, hätte nicht plötzlich ein lautes Brummen den Raum erhellt. Eva. Ich hatte sie längst vergessen.
»ES schnarcht«, stellte Elyas schließlich mit hochgezogener Augenbraue fest.
Ich unterdrückte ein Schmunzeln. »Ja, und ES tut das die ganze Nacht.«
»Du Arme, wie hältst du das nur aus?«
»Frag nicht«, sagte ich und seufzte. »Zumal das Schnarchen noch das Harmloseste an Eva ist.«
»Das heißt?«
»Dass ich zum Beispiel sie und ihren Freund bei meiner Ankunft vor ein paar Tagen auf meinem Bett wie kopulierende Tiere vorgefunden habe.«
Elyas‘ Augen wurden größer und er sah sich um. »Dieses Bett?«, fragte er, als seine Finger ein weiteres Mal durch meine glitten.
»Ja, leider.«
»Riecht es hier deswegen nach Desinfektionsmittel?«
»Riecht man das noch?«
»Ich bekam ein paar Mal einen strengen Geruch in die Nase, wollte aber nicht nachfragen.«
»Sieht so aus, als wüsstest du jetzt die Ursache«, antwortete ich trocken. Elyas‘ Gesichtsausdruck nahm immer mitleidigere Züge an. Mit der Hand strich er mir eine Haarsträhne aus der Stirn und innerhalb einer Sekunde fühlte ich mich wieder in weichem Puderzuckerschnee gebettet. Jede schlaflose Nacht in den letzten Wochen hatte ich seine Lippen, seine markanten und doch weichen Gesichtskonturen gedanklich nachgezeichnet. Jetzt müsste ich nur noch den Arm ausstrecken und könnte sie berühren.
Ganz langsam rutschte er zu mir auf, ließ meine Hand los und streichelte mir mit den Fingerspitzen über die Wange. Immer wieder ließ er den Blick über mein nahes Gesicht streifen und mich in dem türkisen Meer seiner
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