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Türme Der Dämmerung

Titel: Türme Der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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leichenblass werden.
    Creslin hat bislang geschwiegen. Jetzt nickt er zustimmend. Sie möchte ihm das gesamte Chaos-Feuer ins Gesicht schleudern, das ihr zur Verfügung steht. In welche Person verwandelt er sie? Warum begreift er es nicht? Wird er es je begreifen? Da sie sicher ist, dass er es nie begreifen wird, geht sie den Hang hinab zu der baufälligen Hütte, die Klerris für sich herrichtet.
    Sie lässt ihre Sinne alles sammeln, während sie die Bemerkungen, die ihr hinterher eilen, zu überhören versucht.
    »… Schädel eingeschlagen und die Kehle durchgeschnitten.«
    »… muss Hände wie Stahl haben.«
    »… wie könnt Ihr mit ihr leben?«
    »Nein, sie gestattet mir, mit ihr zu leben.«
    Obwohl Creslins kühle Bemerkung wahr ist, läuft es ihr dabei kalt über den Rücken. Kann er nicht sehen, was er ihr angetan hat? Und was er mit der Macht getan hat, die sie so lange geopfert hat, um zu lernen? Sie presst die Lippen zusammen und geht weiter.

 
LXXIII
     
    N achdem die Rothaarige wütend davongegangen ist und die drei Männer samt der Leiche zurückgelassen hart, schüttelt Hyel den Kopf. »Niemals …«
    Creslin schnaubt verächtlich.
    »Ach, findet Ihr das …« Joris deutet auf die Leiche, »belustigend, Regent Creslin?«
    »Nein, er hat bekommen, was er verdient hat. Megaera ist gegen jede unnötige Gewalt.« Creslin klingt müde.
    »Er hatte es satt, ohne Frauen zu leben. Könnt Ihr ihm das verdenken? Ist sein Tod nicht ein bisschen übertrieben?«
    Creslin will den Kopf schütteln. Ist versuchte Vergewaltigung nicht Grund genug, jemanden zum Tode zu verurteilen? Doch er selbst hat getötet, um einem Mord zuvorzukommen. Langsam antwortet er dem dunkelhaarigen Mann. »Über kurz oder lang werden Frauen herkommen. Ja, ich gebe deinem Mann Schuld, vor allem wegen der Dummheit. Jeder, der einen Magier angreift, sollte aufs Schlimmste gefasst sein. Megaera ist eine Weiße Magierin. Sie hätte ihn auf der Stelle zu Staub verbrennen können.« Er hält inne, sieht jedoch, dass Jorin noch nicht zufrieden ist. »Zuweilen betrachtet sie gedankenverloren die Narben an ihren Handgelenken. Diese rühren aus der Zeit her, als sie ihre Kunst mit kalten Eisenfesseln ausübte.«
    Joris schaudert. »So stark ist sie?«
    Creslin seufzt. »Wir mögen jung und in vieler Hinsicht unerfahren sein, Männer, doch glaubt ihr ernstlich, der Herzog würde uns Recluce einzig und allein aus dem Grund anvertrauen, um einige Klingen und Vorräte zu kaufen?«
    Joris räuspert sich. »Habt Ihr nicht soeben von Frauen gesprochen?«
    Creslin nickt. »Frauen, Vorräte …«
    »Und wie wollt Ihr für die Vorräte zahlen, Regent Creslin?« fragt Hyel hämisch. »Mit Dörrfisch? Mehr habt Ihr doch nicht in Eurer Schatzkammer.«
    »Einiges wird eine Art Geschenk sein, und für das andere …« Creslin denkt an die schwere Goldkette, die Lydya gerettet und Klerris ihm zurückgegeben hat, »werde ich bezahlen.«
    »Ihr habt weitreichende Pläne für diese karge Insel.«
    Creslin ist der verschleierten Warnungen und der Skepsis überdrüssig. Mit blitzenden Augen tritt er vor den Zweifler Joris. »Du hast an meinen Fähigkeiten gezweifelt, bis ich dein williges Werkzeug tötete. Du bezweifelst die Fähigkeiten meiner Mitregentin, bis sie dir eine Leiche vor die Füße legt. Willst du weiterhin zweifeln? Oder willst auch du als toter Mann enden?«
    Hyel wagt es nicht, Creslin in die Augen zu schauen. »Bis jetzt hat noch nie jemand in Recluce Erfolg gehabt … mein Gebieter.«
    »Ich bin wahrlich nicht ›jemand‹, Hyel.« Creslin lacht harsch. »Und Megaera schon gar nicht.« Er mustert beide Männer scharf. »Ich möchte sogleich Pergament und Schreibzeug in meiner Hütte haben. Ich denke, ihr werdet über meine Worte noch lange nachdenken.«
    Dann schlägt er denselben Weg ein wie Megaera. Doch hat er nicht vor, sie sogleich aufzusuchen. Trotz seiner verteidigenden Worte hallt Joris’ Frage noch in seinen Ohren nach. Verdient ein Mann den Tod, weil er sich nach etwas sehnt, das ihm versagt wird? Rechtfertigt der Tatbestand, aus Lust einem anderen Gewalt anzutun, Mord? Doch welche Wahl hatte Megaera? Und was ist der Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Tod? »Tot ist tot«, hatte sie gesagt.
    Plötzlich ändert er die Richtung und schreitet auf die östlichen Klippen zu.
    Unterscheidet er sich eigentlich von diesem namenlosen Soldaten? Auch er hat mit dem Gedanken gespielt, Megaera mit Gewalt zu nehmen. Wie dünn ist die Linie

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