Türme Der Dämmerung
benutzt.«
Klerris lacht. »Es ist schwierig, zwei Dinge gleichzeitig zu sein. Zum Beispiel: Du kannst zwar eine Zeitlang Creslin lieben und hassen, doch zerreißen diese widersprüchlichen Gefühle dich im Inneren. Letztlich können diese Menschen etwas oder jemanden nur hassen oder lieben. Das gilt auch für Magie. Manche werden der Ordnung zugeteilt, manche dem Chaos – und manche dürfen sich frei entscheiden. Ich habe nur eine einzige Graue Magierin gekannt, und sie starb sehr jung. Gewiss ist es möglich, doch ich bezweifle, dass viele damit zurechtkommen.«
»Dennoch ist es nicht gerecht.«
Klerris versteht die Gedanken hinter ihren Worten. »Sei dankbar, dass du nicht dem Chaos zugeteilt wurdest. Du kannst wählen. Doch Creslin hat keine derartige Wahl.«
»Was meinst du?«
»Warum glaubst du, dass Creslin seine Mächte nicht gern benutzt, um zu töten?«
»Weil ihm schlecht wird.« Sie verzieht das Gesicht. »Das kenne ich nur zu gut, aber ich begreife nicht, wie ein Mann sich die Gedärme aus dem Leib kotzt, wenn er einen Sturm herbeizaubert, aber ganz ruhig bleibt, sobald er sich seiner Klinge bedient.«
»Ich bleibe keineswegs ruhig«, widerspricht Creslin. »Doch ist die Reaktion bei der Klinge längst nicht so heftig. Du fühlst nicht, was ich fühle, wenn ich eine Klinge benutze, weil du aufgrund deiner eigenen Wut zu aufgebracht bist.« Jetzt bleibt sein Magen ruhig, demnach hat er die Wahrheit gesagt.
»Aber warum?« Die Rothaarige gibt nicht auf.
»Weil Tod eine Form des Chaos ist«, erklärt der Schwarze Magier geduldig. »Und eine Ordnung, die Tod verursacht, schafft im Magier eine ungeheure Belastung in Bezug auf Logik. Deshalb scheuen Schwarze Magier vor dem Einsatz von Ordnung für Gewalt zurück, wenn sie älter werden. Ein junger kräftiger Mann vermag eine derartige Belastung eine Zeitlang auszuhalten, doch nicht für immer.«
»Ja …« Megaera seufzt. »Wie lerne ich Ordnung?«
Klerris zuckt mit den Schultern. »Ich wünschte, ich könnte dir eine leichte Antwort geben. Es gibt weniger als eine Handvoll Menschen, die diesen Übergang bewältigt haben. Keiner verriet irgendwelche Einzelheiten, doch der erste Schritt ist, jeglicher Benutzung von Chaos abzuschwören, sogar läppische Kindereien, wie Fingerfeuer.«
»Das soll ich aufgeben …?« Sie schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht.«
Keiner sagt etwas. Auch scheinen weder Klerris noch Megaera den Schweiß auf Creslins Wangen zu bemerken, als er seinen Blick abwendet und durch das kleine Fenster hinaussieht, das den Blick auf den nördlichen Abhang freigibt, wo der bereits bestehende Bergfried vergrößert werden soll.
Er schluckt, sagt aber nichts, als er seine Hand ausstreckt und auf eine Ecke des Papiers presst. Er könnte dem Windstoß Einhalt gebieten, doch die Kühle tut ihm gut.
»Hyel wird nicht begeistert sein, wenn seine Soldaten beim Bau helfen müssen«, bemerkt Klerris.
»Wir haben keine andere Wahl, oder?« wendet Creslin ein. »Und er ebenso wenig.«
»Wirst du ihm das mitteilen?«
»Wer sonst?«
»Selbstverständlich, Creslin«, erklärt Megaera. »Das ist die beste Gelegenheit für meinen teuren Gatten, seine Autorität zu begründen.«
»Hältst du das nicht für ein bisschen ungerecht?« fragt Klerris.
»Ja, aber die meisten Männer sind von Natur aus ungerecht.«
Klerris rollt die Pläne zusammen.
Creslin blickt gedankenverloren durchs Fenster. »Wir brauchen auch Bäume. Kannst du Setzlinge bekommen?«
»Bäume?«
Der junge Mann mit den Silberhaaren und der von der Sonne gebräunten Haut nickt. »In Sarronnyn bringen sie das Wasser über Aquädukte von den Bergen herab.«
»Creslin …«
»Er ist weit weg«, meint Megaera. Dann blickt auch sie durchs Fenster auf die Schaumkronen der stürmischen Wintersee hinter der Mole.
LXXV
» I hr verlangt, dass wir … derartig niedrige Arbeiten verrichten?« Die Stimme des Kommandanten der Garnison ist dennoch nicht ohne Respekt.
»Ich möchte, dass sie sich ihren Sold verdienen«, erklärt Creslin ruhig. »Vielleicht ist das ihre Möglichkeit zu überleben.«
Hyel greift erbost zum Schwert. »Selbst Ihr würdet nicht …«
»Wie gefällt es deinen Leuten, jeden Tag Fisch zu essen? Sie haben doch nur genügend Dörrobst, um nicht ernstlich krank zu werden. Sie müssen Limonenrinde essen, dass ihnen die Zähne nicht ausfallen.«
Der grimmige Ausdruck auf dem Gesicht des Kommandanten weicht Verblüffung. »Natürlich gefällt es ihnen
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