Türme Der Dämmerung
wieder schwarz.«
Ihre Finger schließen sich um seine. Die Schwärze löst sich auf. Er blickt in ihre durchdringenden grünen Augen, die ihn bang mustern.
»Du warst so lange fort.« Tränen strömen über ihre Wangen. »Zu lange. Nie wieder …«
»Nie wieder werde ich es tun.« Er schüttelt den Kopf. »Eigenartig, aber jetzt fühle ich mich wieder besser. Doch ich konnte nichts erkennen. Ich wusste, dass du da warst, aber ich konnte dich nicht sehen.«
»Ich glaube, du hältst dich lieber von den Stürmen fern, jedenfalls, bis du mit Lydya gesprochen hast.« Sie runzelt die Stirn. »Da ist etwas …« Sie schüttelt den Kopf.
Creslin zwingt sich zu lachen. »Ab jetzt habe ich gewiss nicht mehr viel zu tun, jedenfalls nicht mit dem Wetter. Du hingegen schon, deine Berührung ist … wirkungsvoller.« Er drückt ihre Hand.
»Du …«, beginnt sie … . Angst … o Liebster …
Creslin muss seine Angst nicht gestehen, nicht die eiskalte Furcht bestätigen, die ihm diese zweite Blindheit eingejagt hat. Megaera versteht ihn. Sie schließt ihn liebevoll in die Arme. Gierig verschlingt er mit den Augen die flammendroten Locken und ihr verblichenes blaues Gewand.
CXXXVIII
» I hr solltet etwas trinken«, meint Lydya.
Megaera nimmt das Glas, und Creslin folgt ihrem Beispiel. Er trinkt, ohne die Wärme der bitteren Flüssigkeit zu beachten, die Lydya ihnen eingeschenkt hat. Schweißperlen tropfen aus seinen kurzen Haaren und laufen in den Nacken. Er blickt Megaera an.
Ihr Haar wirkt dunkel vom Schweiß – und verklebt. Beide riechen sie nach Schweiß, Anstrengung und Angst.
»Shierra hat die Oststrände übernommen. Klerris ist mit Hyel gegangen.« Lydyas Stimme klingt ausdruckslos.
Draußen auf der Veranda fällt immer noch Regen. Creslin blickt nach Norden, doch die Wolken sind grau, nicht schwarz. Er ist beruhigt, dass seine und Megaeras Bemühungen die Winde in der Höhe nicht auf Dauer verschoben haben. Ohne große Mühe vermag er zu spüren, dass die stärkste Gewalt des Sturmes nach Westen abzieht, hauptsächlich nach Sligo, Lydiar und Fairhaven.
»Was hast du eigentlich bei deiner letzten Fahrt getan?« fragt Lydya.
Megaera trinkt einen großen Schluck. Creslin spürt, wie sich ihr Inneres verkrampft, doch nicht von einem Kampf zwischen Ordnung und Chaos, sondern durch etwas Grundlegenderes.
»Creslin?« fragt die Heilerin nach.
»Mir geht es gut, Liebster.« Megaera drückt seine Hand.
Sobald sie die Hand wegzieht, kann er einen Augenblick lang nichts sehen, obgleich er die Augen offen hat. Er holt tief Luft, und die Dunkelheit vergeht.
»Oh … ich habe einen Sturm geschaffen«, erklärt er Lydya.
»Das hatte ich bereits vermutet. Für die große Weiße Flotte. Hat sie nicht sehr früh die Flucht ergriffen?«
»Ja, damit hatte ich gerechnet.« Er leckt die Lippen. »Aber als ich darüber nachdachte, hielt ich es für keine gute Idee, sie ziehen zu lassen.«
»War es eine gute Idee, noch einmal viertausend Menschen zu morden?«
»Ja, selbst wenn du es so hart ausdrückst.«
Warum? Warum, Liebster? So viel Tod … musstest du noch diese hinzufügen …
»Weil es bedeutet, dass Recluce überleben kann, selbst wenn es uns nicht gelingen sollte«, erklärt er vorsichtig.
»Du hast nahezu zehntausend Menschen gemordet, um lediglich fünfhundert zu retten?« fragt die Heilerin.
Creslin trinkt noch einen Schluck. »Geh zurück nach Candar, wenn du willst, Lydya. Warte ab, während sie langsam dem Kontinent die Luft abdrücken. Sei glücklich, denn du musst nicht kämpfen, da alle, die die Weißen Magier nicht unterstützen, verschwunden sind – oder tot. Dann kehre ein Jahrzehnt später hierher zurück und sage mir, was du gelernt hast.«
»Liebster, deine Worte sind sehr hart.« Megaeras Stimme klingt heiser, ihr dreht sich der Magen um.
Creslin schiebt die Übelkeit fort, die sie fühlt, steht jedoch nicht auf.
Verblüffung kämpft mit Übelkeit, und die Übelkeit gewinnt, als Megaera zu dem Eimer taumelt, der in der Ecke steht. Creslin unterdrückt das Würgen und tritt zu Megaera hin.
»Lass mich allein.«
»Ich kann es nicht, schon vergessen?«
Beide lachen. »Das werden reizvolle neun Monate.«
»Du meinst …«
Lydya nickt.
»Du – wir – haben noch viel Arbeit zu erledigen«, erinnert ihn seine Mitregentin. »Wir müssen sicherstellen, dass die wenigen Überlebenden das herrliche Land Recluce nicht zerstören, ehe es seinen Weg gefunden hat.« Sie bricht ab und muss
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