Türme Der Dämmerung
wollen sie ihm sagen?
Hylin blickt ihn an, dann die Frauen, doch Creslin schüttelt den Kopf. »Nein, nicht heute Abend.«
»Weiser Mann«, urteilt Derrild, als Hylin zwinkernd den Tisch verlässt. »Liebe kann man nicht kaufen, meist nicht einmal wahres geschlechtliches Vergnügen.« Dann hebt er den Arm. »Bring mir noch einen Wein, schöne Frau!«
Creslin trinkt von seinem Rotbeerensaft und schürzt die Lippen. Wie viel er doch noch zu lernen hat!
XXV
E ines der Maultiere kommt von der Straße ab und gerät in den tiefen Schlamm am Wegrand.
»Ruhig!« Hylin führt das Tier wieder zurück auf die Straße. »Verdammter Schlamm! Kein Vorankommen!«
»Wie weit ist es noch?« Creslin blickt zu den sanften Hügeln. In ungefähr einem Tag – laut Hylin – könnten sie den Westrand der Osthörner erreichen. Der Horizont ist dunkel. Doch hinter sich sieht er den orangerosafarbenen Schimmer, der ihn an die Türme der Dämmerung und die unfassbar schönen Wolkenfarben im Sonnenuntergang erinnert, die er vom Dach der Welt aus gesehen hat.
Doch hier in den östlichen Ebenen in Gallos gibt es keine Türme, nur Felder, Hügel und gelegentlich Obstgärten. Nach schweren Regenfällen ist der Nachmittag frühlingshaft warm gewesen. Dichte Moskitoschwärme stürzen sich auf die kleine Karawane.
Creslin überlegt, ob er eine leichte Brise herbeirufen soll, nachdem sie das weiße Fenard hinter sich gelassen haben.
»Mist!« wieder schlägt er nach den lästigen Blutsaugern. Als man ihm von den fruchtbaren Ebenen Gallos’ erzählt hatte, hatte niemand die Moskitos oder Fliegen erwähnt, auch nicht den Gestank in den Hinterhöfen und engen Gassen der kleinen Städte und Dörfer.
Aus dem Augenwinkel sieht er etwas Weißes fliegen. Doch sobald er nach Süden blickt, ist der weiße Vogel – wenn es ein solcher war – verschwunden.
»Die kleinen Plagegeister scheinen dich besonders zu lieben«, erklärt Hylin.
»Wie weit noch?«
»Noch ein paar Meilen, aber es wird dunkel sein, wenn wir ankommen.«
»Ich bin froh, wenn ich mal aufstehen kann«, erklärt Derrild vom Wagen aus. »Ihr beiden müsst nicht auf hartem Holz sitzen.«
Hylin und Creslin wechseln vielsagende Blicke, da der Händler auf dicken Kissen sitzt.
Der orangerosafarbene Schimmer ist verflogen, als sie einen Wegweiser aus grauem Stein erreichen.
»Perndor. Zwei Meilen«, liest Creslin laut. »Ist das unser Ziel?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Du glaubst?«
»Derrild zieht dich nur auf.« Hylin grinst.
Creslin seufzt. Schweiß strömt ihm über den Rücken. Die Insektenstiche sind angeschwollen. Bald danach kommen sie wieder zu einem grauen Stein, auf dem nur P ERNDOR steht.
Unweit vor ihnen sieht er eine Ansammlung von Hütten hinter teilweise zerbrochenen Zäunen. In keiner Hütte brennt Licht. Die Straße besteht nur noch aus aufgeweichtem Lehm.
»Ich hasse es, so spät anzukommen.« Hylin legt die Hand ans Schwert.
Creslin schickt die Sinne voraus. »Wohnt dort überhaupt jemand?«
»Angeblich gibt es eine ehrliche Herberge.«
Jetzt sieht Creslin ein Licht, knapp eine halbe Meile entfernt. Doch gleichzeitig spürt und hört er, dass sich hinter einer Scheune rechts bewaffnete Reiter sammeln. Schnell zieht er das Schwert aus der Scheide auf dem Rücken.
Dann fühlt er, wie ein Bogen gespannt wird. Verzweifelt greift er nach dem Wind und schleudert ihn dem unsichtbaren Bogenschützen ins Gesicht.
»Banditen!« ruft Derrild und holt den mit dicken Nägeln besetzten Stock hervor.
Creslin drückt sich flach aufs Pferd und sprengt mit gezücktem Schwert dem halben Dutzend Reiter entgegen.
Seine Klinge blitzt auf, dann nochmals, ehe er sich duckt. Sein Körper folgt dem Muster, das er erlernt hat. Er gleicht einem Wirbelwind.
»Teufel! Wo ist er?«
Creslin sammelt erneut die inzwischen heftigen Winde und schleudert sie den Feinden entgegen. Dann wagt er einen Sprung und rammt dem kräftigen Banditen, der zurückweichen wollte, das Schwert durch die Kehle.
»Fort! Sie haben Frosee erwischt!«
Hylin zögert neben Creslin. Er ist bleich.
»Wo ist Derrild?« fragt Creslin und zieht die Klinge aus dem toten Banditen.
»Auf dem Weg zur Herberge, so schnell die Maultiere laufen.«
»Was?«
»Wir werden für seinen Schutz bezahlt, richtig?«
Creslin blickt umher. Neben dem kräftigen Banditen liegen weitere zwei Männer im Schlamm … und der Wallach, der ihn so viele Meilen weit getragen hat.
»Du hast noch einen erwischt, aber er sitzt
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