Türme Der Dämmerung
der Stadt aber die linke. Fußgänger halten sich auf den äußeren Straßenrändern.
Zur Mitte des flachen Tals hin setzt sich beständig das Weiß gegen das Grün durch. Kein Gebäude ist höher als drei Stockwerke.
Creslin holt tief Luft und schickt seine Sinne zum Wind hinaus … und prallt jäh zurück. Er wird in sein Inneres zurückgeschleudert, angesichts der weißroten Wirbel, die das gesamte Tal zu füllen scheinen und an seinem Leben zerren und reißen. Einen Augenblick lang hat er den Eindruck, zwei kühle schwarze Flecken inmitten dieses unsichtbaren Wirbelsturms zu erblicken, doch ist die Anstrengung so überwältigend, dass er nicht weiter suchen möchte, bis er mehr gelernt hat.
Mit dem Ärmel wischt er sich die schweißnasse Stirn. In der Tat Zauberei. Und diese scheint unter allem um ihn herum zu liegen, da sämtliche steinerne Bauten von den erfahrensten Steinmetzen errichtet wurden und sogar Bäume und Gras ganz natürlich wirken.
Nochmals wischt er sich die Stirn und atmet tief durch, ehe er weitergeht. Vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen.
XXXII
» B erichte!« Das Antlitz der dunkelhaarigen Frau erscheint so unbewegt wie immer, trotz der dunklen Ringe unter den Augen und der langen, starken Finger der linken Hand, die am Schwertgriff liegen.
»Er hat das Dach der Welt über den Dämonenhang auf Skiern verlassen.«
»Woher weißt du das?«
»Im Hochwald fanden wir genügend Hinweise, und alle nach dem Muster der Garde. Selbstverständlich hinterließ er keine deutlichen Spuren, sondern verwischte diese sorgfältig.« Die Offizierin der Garde steht vor der Marschallin.
»Und ihr konntet ihn nicht fangen – schließlich ist er nur ein Mann?«
Die Offizierin der Garde senkt die Augen. »Er hatte einen gewissen Vorsprung, und wir wussten nicht, wohin er sich wenden würde. Sobald wir die Richtung erkannten, wurde es leichter.«
»Und warum ist er dann jetzt nicht hier?« Die Stimme der Marschallin bleibt kühl, als spräche sie über den Aufmarsch von Truppen.
»Weil Ihr uns den Befehl gabt, nicht nach Fenard vorzurücken oder die Osthörner zu überqueren.« Die Offizierin schluckt. »Inzwischen ist er wohl in Fairhaven. Zumindest deuten alle Zeichen darauf hin.«
»Er ist schnell vorwärts gekommen«, bemerkt die Marschallin.
Die Soldatin senkt die Augen noch weiter. »Verlangt Ihr meinen Abschied?«
Die Marschallin lacht. Der harte Klang bricht sich an den steinernen Wänden. »Weshalb? Du hast bloß meinen Befehl ausgeführt. Ihr hättet ihn nur fangen können, wenn er versagt oder sich verletzt hätte. Hast du die Waffenmeisterin auf seine Fähigkeiten hin befragt?«
»Nein.«
»Lass es. Du würdest nur erfahren, dass er sämtlichen Anforderungen der Garde genügt, sogar den meisten der Elitesoldatinnen. Allerdings weiß er das nicht, und es war in der Tat schwierig sicherzustellen, dass nur wenige es wussten.«
»Oh. Warum sagt Ihr …«
»Ich schickte euch unter falschen Voraussetzungen aus. Ich wollte nicht, dass eure Leistungen durch das Gefühl, von vornherein zu versagen, geschmälert würden. Mein Sohn ist niemals hilflos, dennoch habe ich ihm womöglich keinen guten Dienst erwiesen, indem ich ihm diese Ausbildung gestattete.«
»Aber … warum?«
Die Marschallin erhebt sich und blickt zum Fenster ihres Arbeitszimmers, wo dicke Schneeflocken gegen die Scheiben fliegen. »Hättest du an seiner Stelle hier bleiben oder als verzogenes Schoßtierchen in Sarronnyn leben wollen?«
Keine Antwort.
»Selbstverständlich kannst du das nicht beantworten. Die Frage war unfair.« Weiterhin blickt sie hinaus in die Weiße vor der Zitadelle. »Ich hoffe nur, er findet irgendwo Hilfe … rechtzeitig.«
Auch nachdem die Offizierin der Garde gegangen ist, schaut sie den dicken Flocken nach, die um die Zinnen wehen. Sie schaut hinaus, bis die Nacht diese undurchdringliche Weiße einhüllt.
XXXIII
I m goldenen Licht der frühen Abendsonne sammelt sich eine Handvoll Menschen auf dem gepflasterten Platz um drei Karren. Auf dem grün bemalten Karren nimmt eine Frau etwas vom Grill, wickelt es in ein Fladenbrot und reicht es einem bärtigen Mann. Beim nächsten Kunden wiederholt sie den Vorgang. Dann legt sie zwei weitere Fleischscheiben auf den Grill.
Der Duft des gebratenen Geflügels fliegt Creslin entgegen. Ihm wird der Mund wässrig. Seit dem Frühstück vor vielen, vielen Meilen westlich hat er nichts mehr gegessen. Und jetzt ist es Spätnachmittag.
Er
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