Türme Der Dämmerung
und Handeln.
»… besten Meersmaragde diesseits der Westhörner.«
»… Gewürze! Jedes Gewürz, das du dir vorstellen kannst.«
»… Feuerwein, holt euren Feuerwein hier!«
Der einstige Edelknabe wischt sich den Schweiß von der Stirn und blickt zu Gerhards Wagen. Immer noch erteilt der fette Händler Befehle. Jetzt kommt Zern mit einem prallen Beutel in Creslins Richtung. »So, hier … Creslin … wir …«
»Meine Aufgabe ist beendet?«
Zern nickt. »Hier, ein halber Silberling als Bonus.«
»Sehr großzügig. Ich sollte mich bei Gerhard bedanken – oder verdanke ich das dir?« Creslin bemüht sich um einen gleichgültigen Ausdruck, doch ihm dreht sich der Magen um.
»Gerhard.« Zern räuspert sich. »Wie auch immer … viel Glück.«
»Danke.« Creslin befestigt die Scheide mit dem Schwert am Bündel und schultert beides. Dann steckt er den mageren Sold in den Gürtel. Er ist froh, ein paar kleine Münzen zu haben, weil er dann nicht Frosees Goldstücke herzeigen muss.
Pitlick entrollt einen Leinwandberg auf dem Boden, aus dem bald ein Zelt geworden sein wird.
»… berühmte Töpfe aus Spidlar. Die beste Purpurglasur in ganz Suthya.«
»Seht dieses Kupfer, hart wie Stahl.«
Creslin rümpft die Nase bei der Prahlerei des Waffenverkäufers. Keine Bronze könnte es mit gutem Stahl aus Westwind aufnehmen. Er blickt auf die Zelte und die Männer und Frauen, die ständig kommen und gehen. Keine zehn Schritte vor ihm schreitet eine schwarzhaarige Frau mit traurigem Gesicht in fast durchsichtigen Gewändern hinter einem dünnen Mann mit riesigem Schnurrbart. Sie trägt Eisenfesseln, die fast wie Schmuck wirken. Als ihr Blick auf sein Silberhaar fällt, schüttelt sie fast unmerklich den Kopf und formt stumm Worte mit den Lippen. Er versteht sie jedoch nicht, weil der Schnurrbärtige sie roh mit einem Ruck an der Kette weiterzerrt.
Creslin sieht die Weiße, die im kalten Eisen eingeschlossen ist, und schluckt. Wenn er mehr als das Sichtbare sieht, läuft es ihm eiskalt über den Rücken.
»… Holz. Zedernholz aus Hydlen. Harte Pinie aus Sligo.«
»… Salben gegen jegliche Gebrechen!«
Er ist kaum mehrere Dutzend Schritte hinter dem Wagen mit dem Holz vorbeigegangen, als eine blonde Frau mit äußerst üppigen, kaum verhüllten Formen hervortritt. Der weißblonden Göttin der Liebe folgt ein Mann, der fast eine Elle größer ist als Creslin. Seine Handgelenke wirken so dick wie Dachbalken.
»Ein Mann aus dem Westen …« Ihre Stimme gleicht einem heiseren Flüstern. Ihre Worte scheinen nur für ihn bestimmt zu sein. Ihr Lächeln ist eine Einladung. Sie tritt näher. Ihr Duft wirkt betörend weiblich. Sie macht noch einen Schritt.
Creslin bleibt stehen und betrachtet die aufgerichteten Brustwarzen des prallen Busens und die nicht ganz so vollen roten Lippen …
Narr!
Creslin weiß nicht, woher dieser Gedanke stammt.
Doch er zwingt sich, weiter als nur mit den Augen zu schauen.
Ihm wird beinahe schlecht. Die Frau ist keineswegs hässlich, doch die Weiße, die sie umwirbelt, gepaart mit boshaftem Rot, riecht nach Bösem. Das hellblonde Haar ist rein weiß. Die Augen verheißen eine andere Art des Vergessens.
»So … er kann mehr als nur sehen.« Immer noch klingen die Worte heiser, doch jetzt eher wie das Zischen einer Schlange.
Niemand scheint die Gruppe zu bemerken. Ein Wächter geht keine Elle weit an Creslin vorbei.
»Aber sie können nicht …«
Creslin will zurücktreten, doch seine Muskeln verweigern den Dienst.
Der Hüne hinter der Frau in Weiß tritt vor. Bei jedem seiner Schritte bebt der harte Boden. Er trägt ein Breitschwert, mit dem man einen Findling hochstemmen könnte. Ein Schwert – doch Creslin vermag nicht nach seinem Schwert zu greifen. Er greift nach dem, wonach zu greifen er vermag: nach den Winden hoch über ihm, nach der dünnen Linie, die sie mit den Stürmen und Unwettern verbinden, die das Dach der Welt regieren.
»Kämpf nur, kleiner Silberkopf. Ich sehe es liebend gern, wenn Männer kämpfen und sich wehren.«
Die Hand des Hünen verharrt am Schwertgriff.
Creslin bietet seine gesamte Kraft auf und holt die Winde aus der Höhe herab … er greift nach dem Wasser, dem Eis in der Luft.
Plötzlich flattern die Zelte im Wind. Er spürt, wie sich drohende Wolken in der Luft zusammenballen.
Die Lippen der Frau formen ein ›O‹, doch ihre Bewegungen werden seltsam starr, als Creslin die Winde gegen die Weiße schleudert, die ihr innewohnt.
Blitze zucken vom
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