Türme Der Dämmerung
Himmel. Ein Hagelschauer prasselt auf Zelte und Menschen.
Ein schriller Schrei, dann ist der gleißend weiße Nebel verschwunden.
Creslins Lähmung ist von ihm abgefallen, doch von dem Hünen ebenfalls. Sobald er die mit Eis bedeckte Gestalt auf dem Boden sieht, schwingt er das Breitschwert. Creslin springt zurück, streift das Bündel ab und zückt seine Klinge.
Der Hüne ist schnell, sehr schnell sogar. Creslin vermag nicht, den Griff über die Winde zu halten, nicht, wenn er die nächste Sekunde überleben will. Er pariert den Schlag. Mehr kann er nicht tun. Sein Arm schmerzt nach dem gewaltigen Hieb. Dennoch wagt er einen Schritt vor …
Der Riese will erneut zuschlagen, doch Creslins Klinge trifft ihn genau am Handgelenk. Verblüfft starrt der Hüne ihn an und sinkt dann in sich zusammen.
»Wer ist das?«
»Turque und ihr Diener.«
Creslin steckt das Schwert zurück in die Scheide, ohne die Klinge zu säubern. Dann ergreift er rasch sein Bündel und eilt durch die engen Wege zwischen den Zelten in Richtung Straße davon. Er ist sicher, dass nicht wenige Händler froh sind, dass der Hüne tot ist. Turque ist eine weitere Frage, doch schien ihm keine andere Wahl möglich gewesen.
Eine stumme Frage trifft ihn. Er blickt gen Himmel und sieht gerade noch den weißen Vogel mit ausgebreiteten Schwingen in der leeren Luft verschwinden, aus der ein Unwetter herabprasselt, das mehr ist als der kurze Hagelschauer, den Creslin herbeirief.
Der Sturm peitscht um die Zelte. Es wird empfindlich kalt, als Creslin die Straße erreicht. Er denkt an den weißen Vogel. Megaera? Hatte sie ihm die Warnung zugerufen? Warum? Wer ist sie? Was will sie? Ihn schaudert. Ihm ist kälter als das Eis, in das er die weiße Hexe gehüllt hat, die Gerhard ihm auf den Hals hetzte.
Ist es klug, nach Fairhaven zu gehen? Doch wo sonst kann er herausfinden, wer und was er ist?
XXXI
M it schnellen Schritten erreicht Creslin zwei Meilen nach dem Handelsplatz einen Bauernweg mit tiefen Fahrrillen, Hufabdrücken und Pferdeäpfeln. Er wirft einen Blick zurück. Doch nicht der leichte natürliche Rauchschleier von den vielen Lagerfeuern liegt über dem Handelsplatz, sondern eine drohende Gewitterwolke, wie ein gigantischer Pilz mit dunklem Stiel, dessen weiße Kappe aus Federwölkchen zur Sonne greift.
Aus heiterem Himmel ein Gewitter? Durch einen einzigen Anruf der Winde?
Nach einer weiteren Meile blickt er nochmals zurück. Die dunklen Wolken haben sich ausgebreitet und werfen ihren Schatten auch auf die Straße nach Fairhaven, auf der er marschiert. Weiter hinten kommt ein Bauernkarren. Zwei Gestalten sitzen auf dem Bock. Langsam geht er weiter, bis der Karren ihn eingeholt hat. Das Zugpferd ist größer als der schwarze Hengst, den er dem toten Banditen weggenommen hat. Ein dünner Mann, mit grauen Strähnen im schwarzen Haar, hält die Zügel. Neben ihm sitzt eine Frau mit schmalem Gesicht und immer noch tiefschwarzem Haar.
»Willst du mitfahren, Bursche?«
»Gern.«
»Dann steig auf, wenn du zwischen den Körben Platz findest.«
Creslin schwingt sich behände zwischen die Körbe mit Kartoffeln und grünem Gemüse.
»Bist du so was wie ein Akrobat?« fragt der Bauer.
»Nein. Ich wüsste nicht, wie ich sonst hinaufkommen könnte.«
»Willst du nach Fairhaven?« fragt die Frau.
Creslin nickt.
»Für Soldaten haben die Magier nicht viel übrig«, meint der Mann.
»Das habe ich gehört. Ich kann zwar mit der Klinge umgehen, doch bin ich kein richtiger Soldat.« Creslins Magen stimmt mit dieser Behauptung überein. Ihn schaudert. Wenn er kein Soldat ist, was ist er dann?
»Ich hoffe, du bist nicht auch ein Magier«, fügt der Bauer hinzu. »Denn Magier mögen sie noch weniger, abgesehen von ihren eigenen natürlich.«
»Besonders freundlich klingt das nicht. Die Händler sagen, Händler seien unerwünscht. Und jetzt sagt ihr mir, dass sie auch keine Soldaten oder Magier mögen. Wen mögen sie eigentlich?«
»So schlimm ist es nicht.« Der Bauer lacht. »Sie mögen Kaufleute, Kinder und Bauern – und Leute, die sich nicht in das Leben anderer einmischen.«
Creslin nickt.
»Fairhaven ist eine gute Stadt. Tag und Nacht kann man sicher durch die Straßen gehen. Tag und Nacht kann man irgendwo etwas zu essen bekommen, und das Geld und die Menschen sind ehrlich. Von wie vielen Orten kann man das schon behaupten?«
»Nicht von vielen«, pflichtet Creslin ihm bei.
Kurz danach erreichen sie eine andere Straße. Sie ist breiter,
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