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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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einem solchen Mann. Ich war verzweifelt, als ich von dir erfuhr, ich wollte das nicht. Es war November, und meine Mutter hatte in der Badewanne die Winteräpfel gesammelt, die ich an diesem Morgen in Holzstiegen sortieren sollte. Sie war nicht da. Ich starrte lange auf die Wanne und ließ schließlich Wasser auf die Äpfel. Warum nicht, kann sein, ich wollte sie waschen. Das Wasser war eiskalt, ich dachte, das würde vielleicht helfen, du warst ja noch gar kein richtiger Mensch, und setzte mich hinein. Es war noch kälter, als ich erwartet hatte, aber ich blieb sitzen, bis ich die Kälte nicht mehr spürte und mir ganz leicht wurde. Ich hatte Lust, mich sinken zu lassen und glitt immer tiefer hinein, bis mein Kopf unter Wasser war. Ich behielt die Augen auf, alles war so klar, und die Gedanken drehten sich leicht wie die roten Äpfel über mir. Erst schneller, dann immer langsamer, dann blieb die schwere Seite unter Wasser, und das Kellerlicht drang nur durch schmale Spalten dieser dunklen Decke. Aber du siehst, ich lebe noch und du lebst auch. Großmutter war dann da. Sie schimpfte, als ich aufwachte. Sie wollte etwas aus dem Keller holen, wiederholte sie später immer wieder: Wenn ich nicht hinuntergekommen wäre, dich hätte ja keiner gefunden.
    Ich erwachte, als die Uhr elf schlug. Heller panischer Mittag. Ich hörte das hohe Pfeifen meines Mauerseglers vor der Fensterluke, davon mußte ich aufgewacht sein. Er wollte zurück, er wollte herein, er kam zurück zu mir. Ich lief von Fenster zu Fenster, hörte ihn rufen, lauter, leiser, aber er war nirgends. Jetzt hörte ich ihn auch nicht mehr. Es ist nicht wahr, auch das nicht wahr.
Besuch
    Köppen und Donatus kamen zu Besuch, öfter als früher, dabei war an meiner Gesellschaft wenig zu finden. Donatus kam auch hauptsächlich, um einem, dem fast alles, was er erzählte, eine Neuigkeit war, die atemberaubenden Ereignisse und seine Begeisterung darüber mitzuteilen. Köppen kam, schien mir, um nun wirklich verstehen zu wollen, wie ich hier oben lebte. Meine Weltfremdheit, die Donatus belächelte, schien ihm gutzutun.
    Hellmund war am unverständlichsten. Er kam selten und war fast jedesmal in einer anderen Verfassung. Einmal schwärmte er und wollte sich gleich melden, war mit Donatus ein Herz und eine Seele. Das nächste Mal war er mäkelig, wortkarg, der Krieg würde ihm durch alles einen Strich machen und er wolle jetzt auch einen Strich machen. Ob ich gehört hätte, daß jetzt auch Rußland und Frankreich und die Sozialdemokraten. Ob ich wüßte, daß das soundsovielte Ersatzbataillon keine Freiwilligen mehr nimmt. Und ob ich das sehen würde, wie das Getreide auf den Feldern totreif wäre und keiner da, es zu ernten. Ob ich von der Sonnenfinsternis wüßte und was das bedeuten soll.
Unruhe
    Starker Wind zieht durch den Dachstuhl, ich bin seit dem Aufwachen in festlicher Stimmung. Der leere blaue Himmel hängt tiefer und ändert sich schnell mit dem Wind. Es ist, als ob das gleichförmige Meer bewegter wird und die zurückrollenden Wellen den Blick freigeben auf den rauhen Meeresboden. Wo bin ich hingeraten in diesem glatten Sommer, er ist dahingeflossen vom Morgen zum Abend und hat mich müde gemacht mit der immergleichen zeitlosen Hitze im Dachstuhl, mit der Unerbittlichkeit des Turmumgangs und einem Himmel, der wie keiner war. Dabei ist es vielleicht der letzte Sommer hier oben. Es ist, weil ich langsam bin, schwer und langsam. Zu schwer für ein Leben auf dem Turm, denke ich manchmal. Und so langsam, als würde ich einen Spinnfaden um den Turm weben, nicht schneller gehen dürfen, als ich den Faden spinne, und gar nichts anderes mehr kennen als das gleichrhythmische Arbeiten und Sichfortbewegen. Doch wenn ich hinuntersehe, schwindelt mich, die Welt wird schneller, die Leute laufen schneller und leben mehr, die Zeitungen sind wichtiger und melden immer Neueres. Es wird immer etwas erfunden und etwas erreicht. Ich kann nicht mehr lange hier oben meinen Faden spinnen, Echo, ich muß da hinunter, diese zweihundertvierundsechzig Stufen hinunter, bis ich so schnell bin wie die andern. Warum, Jan? Ach, frag das nicht, ich weiß wie du, wie einer hier hochsehen kann und denken: man müßte draußen sein aus diesem Laufrad, man müßte einen müßigen Abend allein verbringen, man müßte all das Glück nicht erreichen, das man sich wünscht. Und er geht weiter und denkt, die haben schon ein sicheres Leben da oben, die kriegen gar nichts mit, aber tauschen wollte ich

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