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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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kommen noch mal so viele und noch mal, und es schwankt schon hier oben, die geben keine Ruhe, nicht eher, als bis etwas geschehen ist. Ich werde fallen.
Dampfbad
    Mutter schüttet kochendes Wasser auf die getrockneten Kamillenblüten. Sie gibt mir ein weißes Handtuch. Ich schäme mich ein bißchen. Ich weiß nicht, warum. Mutters Hände schämen sich auch. Weil sie mir nicht mehr das Tuch über den Kopf breiten will oder weil sie es gern tun will, aber nicht tut. Sie hantiert am Herd mit Töpfen. Ich versinke in das helle Licht unter dem Tuch, in das gleichmäßige Geräusch meines Atmens, in die Tiefsee der Wasserschüssel, das langsamer werdende Kreisen der kleinen leichten Blüten, ihr Aufquellen, ihr Sinken. Dazwischen entsteht ein Gesicht. Es ist mein Gesicht. Aber die dunklen Augenhöhlen so still, so fern. Der Mund wie ein Fischmund öffnet sich stumm von Zeit zu Zeit. Alle Geräusche sehr fern, und mein Gesicht hat keine Geschichte. Echo. Echos Gesicht ist das: der weiße Schleier um ihren Kopf. Ich bin wieder der Junge von früher, weit vor der Zeit auf dem Turm, Janek. Da wollte ich eine Frau werden, wenn ich über dieselbe Schüssel gebeugt unter dem immerweißen Tuch saß. Wenn ich inmitten der anderen in der Küche allein war. Meine Gedanken verrieten mich nicht, sie blieben in der Tiefseewelt zwischen Schüssel und Schleier. Allein, ganz ohne Körper, mein schwebendes Gesicht, das feingeschnittene einer Frau. Ganz deutlich war es. Die sanften Augen, die alles verstanden, die leicht zitternden Nasenflügel, Frauen spürten alles mit ihrer Nase. Ich wußte es von Mutter, wenngleich es mich bei ihr immer geärgert hatte. Aber hier in der Tiefsee gab es keinen Groll, hier in der Schwebe war ich frei. Mutter hantierte mit Glocken, große und kleine, sie saß, die Beine überkreuz, und sah mit langem Blick in die bauchige Wölbung eines großen, glänzenden Messingtopfes. Mit ihren Händen rührte sie wie im Traum an die Glocken, und das Wasser rann ihr dabei aus den weiten Ärmeln die Finger hinab, an den Glocken entlang in die große Schale. Am Grund der Schale war die Wiese, gelb und weiß von Blüten, und inmitten lag ein Kleid, das zog ich an. Ein weißes Kleid, und Mutter kam lächelnd zu mir, hob mich hoch auf ihren Arm und sagte: mein kleines Mädchen, wo warst du nur immer. Ich dachte schon, sie hätten aus dir ein Messer gemacht. Siehst du, so eines mit langen Haaren: und sie zog aus dem Kleid ein großes Messer. Wirf es weg, Mutter, rief ich. Nein, das bist ja du, mein kleiner Janek, sagte sie und das Messer schnitt die langen Haare von meinem Kopf. Doch sie fielen nicht zu Boden, sondern hingen an der Schneide. Und das Messer schnitt die Träger meines Kleides durch, daß ich dastand in Hosen mit Fieberaugen. Und Mutter sagte: es ist gut jetzt, Jan, das Wasser ist schon ganz kalt.
Mauersegler
    Auf meiner Hand habe ich einen Mauersegler gehalten. Es ist fast nicht zu glauben, daß es wahr ist, aber ich erinnere mich genau. Als ich auf den Dachboden kam, flog er in schnellen Kreisen und suchte einen Ausschlupf. Ich weiß nicht, wie er hier hereingekommen war. Sehr schnell und dicht flog er an meinem Kopf vorbei. Streifte mich fast in seiner Angst. Wieder und wieder, bis er vor die kleine Scheibe der Luke stieß und mit endgültigem Geräusch in die Blechwanne darunter fiel. Es war ganz still, er mußte tot sein bei der Geschwindigkeit seines Aufpralls. Ich ging näher, eine kleine Hoffnung hatte ich noch, bei all der Unglaublichkeit dieser Vögel. Er lag mit gespreizten Flügeln am Boden der Wanne. Aber er lebte, ich sah sein Herz schlagen, nein, sein ganzer, reglos scheinender Körper schlug. Ich betrachtete ihn lange. Dann öffnete ich die Luke und nahm ihn vorsichtig auf die Hand: so leicht. Die gebogene Linie von Stirn und Schnabel entsprach dem Bogen seiner im Flug gestreckten Flügel und entsprach dem Bogen, den er in die Luft schrieb. Aber ich war nicht sicher, ob er einen solchen Bogen jetzt noch an den Himmel schreiben konnte. Seine Nackenfedern sträubten sich. Ich muß dich freilassen. Nur einen Moment noch. Gib mir einen Moment deines Lebens, einen Moment, in dem ich der Grund deiner Angst bin. Ich verspreche, einem Menschen ebenso lange in Todesfurcht meinen Rücken hinzuhalten, wenn er mich so sehr berühren will wie ich dich jetzt. Ich hielt die Hand, auf der er saß, ins Freie. Er blieb, blieb eine lange Weile, in der ich hoffte, er würde nicht fliegen können. Nein, ich hoffte es

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