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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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er pfeifend und asthmatisch hervor, und sein schiefes Lächeln entblößte eine Reihe zerklüfteter brauner Zahnstummel. Bartleby fauchte, und Cal drängte sich hastig zwischen Will und den Alten, befreite seinen Bruder aus dem Griff des Mannes und zog ihn mit sich, bis sie nach etlichen Krümmungen und Kurven der Gasse endlich eine gut beleuchtete Straße erreichten.
    Erleichtert atmete Will auf. »Was war denn das?«
    »Die Rookeries, das Elendsviertel. Und du hast gerade mal die Außenbezirke gesehen … keine zehn Pferde würden mich ins Zentrum kriegen«, erklärte Cal und marschierte so schnell voraus, dass Will Mühe hatte, ihm zu folgen. Er spürte noch immer die Nachwehen der Tortur in der Zelle; seine Brust schmerzte, und seine Beine fühlten sich wie Blei an. Aber er war entschlossen, Cal gegenüber keine Schwäche zu zeigen, und zwang sich zum Weitergehen.
    Während der Kater vor ihnen herrannte, folgte Will seinem Bruder mit zusammengebissenen Zähnen, während dieser über Regenlachen hüpfte und gelegentlich herabstürzenden Wassermassen auswich. Die Sturzbäche, die aus den Schatten der Höhlendecke herabprasselten, schienen aus dem Nichts zu kommen – wie umgedrehte Geysire.
    Die beiden Jungen liefen durch mehrere breite Straßen mit dicht gedrängten Reihen von schmalen Häusern, bis Will schließlich in der Ferne an einer Straßenecke die Lichter eines Wirtshauses entdeckte. Davor drängten sich Scharen von Menschen im Zustand leichter bis schwerer Trunkenheit, die laut lachten und grölten; und von irgendwoher erklang das schrille Geträller einer Frau. Als sie näher kamen, konnte Will das gemalte Wirtshausschild erkennen. »Zum Koberer« stand darauf, und darunter war die merkwürdigste Lokomotive abgebildet, die er je gesehen hatte, mit einem archetypischen Teufel als Lokomotivführer: scharlachrote Haut, zwei spitze Hörner, Dreizack und pfeilförmiger Schwanz.
    Die Fassade und die Fenster der Schenke waren schwarz gestrichen und von einem schmierigen Rußfilm bedeckt. Die Leute standen so dicht gedrängt, dass sie sich in Trauben bis auf die umliegenden Gehwege ergossen. Sie tranken aus zerbeulten Zinnbechern, und einige rauchten lange Tonpfeifen oder rübenförmige Objekte, die Will nicht kannte, die aber nach schmutzigen Windeln stanken.
    Als Will Cal über den Gehweg folgte, kamen sie an einem Mann mit Zylinder vorbei, der neben einem kleinen Klapptisch stand und einer Gruppe interessierter Zuschauer »Finden Sie die Pik-Dame! Finden Sie die Pik Dame!« zurief. Dabei mischte er mit flinken Fingern ein Kartenspiel. »Vielen Dank, der Herr«, deklamierte er, als einer der Zuschauer vortrat und eine Münze auf den grünen Filz des Tischchens warf. Sofort wurden die Karten ausgeteilt, und Will bedauerte es, dass er den Ausgang des Spiels nicht verfolgen konnte. Aber für kein Geld der Welt hätte er sich noch einmal von seinem Bruder trennen lassen, während sie sich nun durch die dichten Menschentrauben drängten. Inmitten all dieser Leute fühlte er sich ziemlich verwundbar, und er dachte darüber nach, ob er Cal überreden könnte, ihn nach Hause zu bringen, als plötzlich eine freundliche Stimme zu ihnen herüberbrüllte.
    »Cal! Will! Kommt rüber!«
    Sofort verstummten alle Umstehenden, und in der Stille drehten sich zahlreiche Köpfe zu Will um. Doch im nächsten Moment tauchte Onkel Tam aus einer Gruppe von Leuten auf und winkte die beiden Jungen überschwänglich zu sich. Auf den Gesichtern der Menge vor dem Wirtshaus zeichneten sich unterschiedliche Reaktionen ab: Manche schauten neugierig, andere grinsten oder verzogen keine Miene. Aber die meisten starrten Will verächtlich und mit unverhohlener Feindseligkeit an – was Tam jedoch nicht im Geringsten zu stören schien. Er schlang seine kräftigen Arme um die Schultern der Jungen, wandte der Menge das Gesicht zu und schaute stumm, aber herausfordernd zurück.
    Aus dem Wirtshaus drang weiterhin Lärm, wodurch die anhaltende Stille auf dem Gehweg und die wachsende Anspannung nur noch deutlicher wurden. Dieses eisige Schweigen drang in Wills Ohren, schwoll immer stärker an und übertönte alle anderen Geräusche.
    Doch dann ertönte plötzlich mitten aus der Menge ein ohrenbetäubender Rülpser, der längste und lauteste, den Will je gehört hatte. Und als der letzte Hall von den Nachbargebäuden zurückgeworfen wurde, war der Bann gebrochen, und der gesamte Haufen brach in brüllendes Gelächter, laute Jubelschreie und anerkennende

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