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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Pfiffe aus.
    Kurze Zeit später widmeten sich die Leute wieder ihren eigenen Angelegenheiten. Die Gespräche wurden erneut aufgenommen, und man gratulierte einem kleinen Mann und klopfte ihm so ausgiebig auf den Rücken, dass er die Hand über seinen Becher legen musste, damit der Inhalt nicht hinausschwappte.
    Noch immer sehr verunsichert, hielt Will weiterhin den Kopf gesenkt. Dabei bemerkte er, wie Bartleby, der unter einer der Wirtshausbänke lag, plötzlich zuckte, als wäre er von einem Parasiten oder irgendetwas anderem gebissen worden. Der Kater krümmte sich, streckte ein Hinterbein in die Luft und begann, seine Schamregion zu lecken, wobei er einem schlecht gerupften Truthahn sehr ähnlich sah.
    »Jetzt, da du den Pöbel kennengelernt hast«, sagte Onkel Tam und schaute kurz zu der Menge hinüber, »möchte ich dich mit unseren Edelleuten bekannt machen, der Crème de la Crème. Das hier ist Joe Waites.« Er schob Will vor einen runzligen, alten Mann, der ein eng sitzendes Scheitelkäppchen trug, das die obere Hälfte seines Gesichts zusammenzudrücken schien. Seine Augen quollen leicht hervor, seine Wangen waren zu einem unfreiwilligen Grinsen hochgezogen und aus seinem Oberkiefer ragte ein einzelner Zahn hervor wie ein elfenbeinfarbener Hauer. Er streckte Will seine Hand entgegen, die dieser zögernd nahm und schüttelte – zu seiner Überraschung war sie warm und trocken.
    »Und der hier«, fuhr Tam fort und deutete mit dem Kopf auf einen geschniegelten Mann in einem billigen, dreiteiligen Anzug, »ist Jesse Shingles.« Der Mann verbeugte sich elegant, lachte in sich hinein und zog die buschigen Augenbrauen über der schwarz gerandeten Brille hoch.
    »Und zum Schluss: der einzigartige Imago Freebone.« Ein Mann mit langen, fettigen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, hielt Will eine Hand mit einem fingerlosen Handschuh entgegen. Dabei öffnete sich sein wuchtiger Ledermantel und entblößte seinen tiefen, fassförmigen Rumpf. Will war dermaßen beeindruckt von der schieren Fülle des Mannes, dass er fast einen Schritt zurückgewichen wäre.
    »Sehr erfreut, die Bekanntschaft einer solchen Berühmtheit machen zu dürfen … wir, die wir von niedriger Herkunft sind«, sagte Imago, verbeugte seinen massigen Körper und zog einen imaginären Hut.
    »Äh … hallo«, sagte Will, der nicht wusste, was er davon halten sollte.
    »Lass den Quatsch«, grinste Tam.
    Imago richtete sich auf, reichte Will erneut die Hand und sagte in normalem Tonfall: »Schön, dich kennenzulernen, Will.« Dann fügte der wuchtige Mann ernst hinzu: »Ich sollte dich nicht aufziehen. Wir alle wissen, was du durchgemacht hast, und zwar nur zu gut.« Er schaute den Jungen aus warmen und mitfühlenden Augen an, hielt Wills Hand einen Moment in seinen Händen und drückte sie noch einmal kräftig und beruhigend, ehe er sie freigab. »Ich selbst hatte auch schon das Vergnügen mit dem Licht der Finsternis – dank der freundlichen Unterstützung unserer lieben Freunde.«
    »Genau, und man bekommt fürchterliches Sodbrennen davon«, pflichtete Jesse Shingles mit breitem Grinsen bei.
    Will war ziemlich eingeschüchtert von Onkel Tams Begleitern und ihrem seltsamen Erscheinungsbild, doch als er sich umsah, stellte er fest, dass sie sich tatsächlich kaum von den anderen Nachtschwärmern vor der Schenke unterschieden.
    »Ich hab euch beiden ein Quart von unserem New London-Bräu geholt.« Tam reichte den Jungen zwei Zinnbecher. »Aber lass es langsam angehen, Will, so was hast du ganz sicher noch nie getrunken.«
    »Wieso? Was ist denn da drin?«, fragte Will und musterte argwöhnisch die graue Flüssigkeit mit der dünnen Schaumkrone.
    »Das willst du gar nicht wissen, mein Junge, oh nein, ganz gewiss nicht«, erwiderte Tam, und seine Freunde lachten herzhaft: Joe Waites stieß seltsame, vogelartige Geräusche aus, während Imago den Kopf in den Nacken warf und sich kräftig, aber vollkommen lautlos schüttelte vor Lachen. Und Bartleby unter der Bank grunzte und schmatzte geräuschvoll.
    »So, dann hast du heute also deinen ersten Gottesdienst erlebt«, setzte Onkel Tam an. »Und, was hältst du davon?«
    »Es war, äh … interessant«, erwiderte Will ausweichend.
    »Nein, nach all den Jahren ist es das ganz bestimmt nicht mehr«, entgegnete Tam. »Aber wenigstens hält man sich dadurch die Weißkragen vom Leib.« Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Becher, richtete sich auf und stieß einen zufriedenen Seufzer

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