Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
Vom Netzwerk:
Szene, jenes letzte Bild von Tam, wie dieser stolz und herausfordernd dem Feind entgegentrat – eine einzelne Gestalt gegen ein ganzes Heer mit gezückten Sicheln.
    Noch während sie flohen, konnten sie seine wütend herausgebrüllten Flüche hören und das Klirren von Klingen, das schließlich mit jeder Windung und Biegung des Tunnels leiser wurde.

37
    Während sie durch das Labyrinth liefen, hielt Will den verletzten Arm dicht am Körper; seine Schulter pochte bei jedem Schritt. Er hatte keine Ahnung, wie viele Kilometer sie zurückgelegt hatten, als Imago am Ende eines lang gezogenen Stollens endlich das Tempo verringerte, damit sie wieder zu Atem kamen. Die Breite des Tunnels hätte es ihnen zwar erlaubt nebeneinanderzugehen, aber sie entschlossen sich, weiterhin hintereinanderzulaufen – denn so konnten sie ihren eigenen Gedanken nachhängen. Seit sie Tam in der Ewigen Stadt hatten zurücklassen müssen, hatten sie noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Dennoch wusste jeder von ihnen nur zu gut, was den anderen in dieser schrecklichen Stille, die wie ein Leichentuch über ihnen lag, durch den Kopf ging. Während sie mechanisch vor sich hin trotteten, erinnerte ihr trauriger kleiner Trupp Will an eine Art Leichenzug.
    Er konnte einfach nicht glauben, dass sein Onkel wirklich tot war – ausgerechnet Tam, dieser in jeder Hinsicht herausragende, großartige, außergewöhnliche Mann, der ihn ohne jedes Zögern wieder in die Familie aufgenommen hatte. Will versuchte, seine Gedanken irgendwie zu ordnen und mit dem überwältigenden Gefühl des Verlusts und der Leere fertig zu werden; Cals gedämpftes Schluchzen war ihm dabei allerdings nicht gerade behilflich.
    Die drei bogen unzählige Male nach links und nach rechts ab, wobei sich jeder neue Tunnelabschnitt als so gleichförmig und ereignislos erwies wie der vorhergehende. Imago schaute kein einziges Mal auf eine Karte, schien aber dennoch genau zu wissen, wohin sie gingen. Dabei drangen gedämpfte Geräusche unter seiner Maske hervor, als murmelte er ein Gedicht oder sogar ein Gebet. Jedes Mal, wenn sie um eine Ecke bogen, schüttelte er eine matte Metallkugel von der Größe einer Orange, aber Will hatte keine Ahnung, was Imago damit bezweckte.
    Als Imago schließlich vor einem schmalen Spalt im Boden stehen blieb und argwöhnisch in beide Richtungen des Tunnels schaute, sah Will verwundert zu, wie er die Metallkugel über der Öffnung heftig hin und her schwang.
    »Wofür ist das?«, fragte Will.
    »Damit kaschieren wir unseren Geruch«, erwiderte Imago knapp. Er steckte die Kugel wieder ein, nahm Wills Rucksack von der Schulter und warf ihn in den Spalt. Dann ging er in die Knie und zwängte sich mit dem Kopf zuerst durch die Öffnung, was ihm nur unter größter Mühe gelang.
    Der Spalt fiel etwa sechs Meter tief fast senkrecht ab, setzte sich dann allmählich in einem waagerechten Tunnel fort und verengte sich zu einem schmalen Loch, durch das man nur kriechen konnte. Sie kamen nur langsam voran. Während Will und Cal Imago folgten, drangen von vorn seine Geräusche zu ihnen, wie er sich ächzend und schnaufend durch den Tunnel wand und dabei Wills Rucksack vor sich herschob. Will fragte sich gerade, was sie eigentlich tun würden, falls Imago stecken blieb, als sie das Ende des Tunnels erreichten und sich wieder aufrichten konnten.
    Zunächst konnte Will durch seine kaputte Maske kaum etwas erkennen, da ein Augenglas zerborsten und das andere stark beschlagen war. Erst als Imago seine Haube abnahm und den Jungen ein Zeichen gab, ihre ebenfalls abzulegen, sah Will, wo sie waren.
    Sie befanden sich in einer etwa neun Quadratmeter großen Kammer von fast makelloser Glockenform, deren raue Wände die Struktur von Siliziumkarbid besaßen. Von der Deckenmitte hingen kleine grau schimmernde Stalaktiten herab, direkt über einem kreisrunden, verstaubten Metalldeckel, der im Fußboden eingelassen war. Während die drei am Rand der Höhle entlanggingen, stießen ihre Schuhe gegen zahlreiche glatte schmutzig gelbe Kugeln, die in ihrer Größe von Erbsen bis zu großen Murmeln variierten.
    »Höhlenperlen«, murmelte Will und erinnerte sich an die Bilder, die er in einem der Lehrbücher seines Vaters gesehen hatte. Trotz seiner tiefen Trauer schaute er sich sofort nach Anzeichen von fließendem Wasser um, das für die Bildung dieser Perlen unerlässlich war. Doch sowohl der Boden als auch die Wände schienen so trocken und kahl zu sein wie das restliche

Weitere Kostenlose Bücher