Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Gestalt wich keinen Millimeter zurück. Der Styx schwang die Sicheln mit geschmeidigen, schwungvollen Bewegungen und nahm eine geduckte Haltung ein – in den wogenden Nebelschwaden wirkte er auf eine fürchterliche Weise überirdisch.
»Hier stimmt etwas nicht. Er ist viel zu siegessicher«, murmelte Imago. »Wir sollten uns lieber verdrücken.« Schützend schob er die Jungen in einen der Tunneleingänge des Labyrinths, während Tam sich der Schmeißfliege näherte. Plötzlich sog Imago geräuschvoll die Luft ein. »Oh, nein … nein …«
Will und Cal wirbelten herum, um den Grund für seine Beunruhigung herauszufinden.
Aus dem Nebelschleier waren zahlreiche Styx hervorgetreten und verteilten sich nun in einem breiten Bogen. Doch die Schmeißfliege hielt eine schimmernde Sichel hoch, woraufhin die anderen in einiger Entfernung hinter ihm stehen blieben und ungeduldig auf seine Befehle warteten.
Tam hielt inne und verharrte einen Moment, als wöge er seine Chancen ab. Dann schüttelte er einmal kurz den Kopf, richtete sich herausfordernd zu seiner vollen Größe auf, riss sich die Haube vom Gesicht und holte tief Luft.
Daraufhin zog auch die Schmeißfliege mit einem Ruck Schutzbrille und Atemgerät ab, warf sie zu Boden und stieß sie mit dem Fuß beiseite. Tam und der Styx gingen ein paar Schritte aufeinander zu, blieben dann jedoch stehen. Während sie sich wie zwei feindliche Krieger musterten, jagte das kalte, boshafte Grinsen auf dem hageren Gesicht des Styx Will einen Schauer über den Rücken.
Die Jungen wagten kaum zu atmen. Um sie herum herrschte eine Totenstille, als hätte der Nebel sämtliche Geräusche der Welt schlagartig verschluckt.
Die Schmeißfliege attackierte als Erster und machte mit umherwirbelnden Armen einen Satz nach vorne. Tam wich blitzschnell zurück, um dem Hagel aus funkelnden Stahlsicheln auszuweichen; er sprang beiseite und hielt abwehrend seine Machete empor. Die Klingen der beiden Männer prallten mit einem schrillen, metallischen Geräusch aufeinander.
Mit unglaublicher Geschicklichkeit wirbelte der Styx herum, als vollführte er eine Art rituellen Tanz. Er schoss auf Tam zu und zog sich ebenso schnell wieder zurück, während er immer wieder mit seinen beiden Klingen zustieß. Tam konterte mit Ausfällen und Paraden, und die beiden Widersacher übten sich abwechselnd in Angriff und Verteidigung. Jeder dieser Anstürme erfolgte so blitzartig, dass Cal und Will kaum zu blinzeln wagten. Während sie noch die eine Attacke beobachteten, erfolgte bereits der nächste Angriffshagel aus Silber und Grau, und plötzlich waren sich die beiden Männer so nahe, dass sie sich hätten umarmen können, während ihre rasiermesserscharfen Klingen klirrend aufeinandertrafen. Fast genauso schnell wichen sie schwer atmend wieder zurück. Nun entstand eine kurze Pause, in der die beiden Männer sich gegenseitig fixierten. Tam schien jedoch ein wenig gekrümmt zu stehen und hielt sich die Seite.
»Das ist schlecht«, stieß Imago leise hervor.
Auch Will sah es. Dunkle Flüssigkeit quoll zwischen Tams Fingern hervor und lief seinen Mantel hinunter; im grünen Licht der Stadt wirkte sie eher wie harmlose schwarze Tinte. Er war verletzt und blutete heftig. Langsam richtete er sich auf, schien wieder Kraft zu gewinnen und holte plötzlich zu einem Schlag mit seiner Machete aus. Der Styx wich ihm jedoch mühelos aus und versetzte ihm einen Hieb quer über das Gesicht.
Tam zuckte zusammen und taumelte zurück. Imago und die Jungen sahen, dass sich ein dunkler Streifen über seine linke Wange ausbreitete.
»Oh, mein Gott«, sagte Imago leise und packte die Jungen dabei so fest am Kragen, dass Will spürte, wie sich seine Arme anspannten.
Der Kampf ging weiter: Tam griff erneut an, worauf die Schmeißfliege mit ihren flüssigen, tänzelnden Bewegungen hin und her wirbelte. Tams Schläge und Hiebe waren entschlossen und geschickt ausgeführt, doch der Styx war einfach zu schnell, sodass die Machete nur die neblige Luft durchschnitt. Als Tam herumwirbelte, um sich seinem schwer fassbaren Widersacher zu stellen, rutschte er aus. Er wollte sich wieder aufrichten, glitt mit seinen Stiefeln jedoch über den nassen Boden, verlor das Gleichgewicht und befand sich nun in einer angreifbaren Position. Diese Gelegenheit konnte der Styx sich nicht entgehen lassen: Er stürzte sich auf Tams ungeschützte Flanke.
Doch Tam war bereit – er hatte auf diesen Moment gewartet. Mit ungeahnter Schnelligkeit tauchte
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