Turils Reise
fühlte sich grenzenlos überfordert, konnte der schlauen Argumentation des erfahrenen Händlers nichts entgegensetzen.
Er blickte auf seine Uhr. Pschoim erwartete den nächsten Zwischenbericht in einer Stunde. Wenn er tatsächlich handeln wollte, dann musste er jetzt eine Entscheidung treffen.
»Du bist ein Händler«, sagte Turil leise, »also lässt du mit dir handeln.«
»Manchmal.«
»Ich biete dir ein halbes Jahr.« Warum, bei allen Göttern des Kahlsacks, ließ er sich auf dieses zweifelhafte Geschäft ein?
»Unter einem dreiviertel Jahr mache ich’s nicht.« Das Brummlachen Agonphyls verstärkte sich, der Leib des Händlers zeigte Farben der Gier und der Lüsternheit. »Ich will das letzte dreiviertel Jahr deines Lebens, und dies auch nur mit gewissen Vorbehalten. Ich benötige etwas, das für mich von Interesse ist. Etwas, das ich an meine betuchte Kundenklientel weiterveräußern kann. Wenn ich nicht finde, was mich interessiert, ist unsere Abmachung obsolet.«
Turil fühlte, wie tranig-öliger Schweiß aus seinen Stirnporen drang. Sicherlich sah der Händler die dunklen Schlieren, die sich über seine Wangen zogen, und sicherlich dachte er sich seinen Teil. Ihn schwindelte, und seine Beine zitterten so sehr, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Er stand vor der wichtigsten Entscheidung seines noch jungen Lebens; wenn Agonphyl die Wahrheit sagte, würde er die heiß ersehnte Freiheit erhalten und dem unerträglich strengen Regiment seiner Familie entkommen. Log der Händler, würde er teuer bezahlen. Auf der GELFAR.
»Einverstanden«, flüsterte Turil. Er bemühte sich, Gelassenheit auszustrahlen. »Wenn du mich betrügst, ziehe ich dich zur Verantwortung. Ich werde dich finden, wo auch immer du dich versteckt hältst.«
»Ach ja? Mein Gefieder sträubt sich vor Furcht«, spöttelte Agonphyl, um gleich darauf wieder ernst zu werden.
»Komm in meinen Laden, Totengräber«, lockte er. »Wir unterzeichnen den Vertrag und begießen ihn mit einem heißen Tröpfchen; oder bist du noch zu jung, um die Vorzüge einer Schüssel Alkohol zu kennen?«
Willenlos ließ sich Turil in das Innere des Geschäfts führen. Da war diese unglaubliche Sehnsucht nach Freiheit, nach dem Entkommen aus dem Korsett strenger Konventionen, in das sein Vater ihn schnürte. Und gleichzeitig fühlte er sich gelenkt, willenlos den Verlockungen Agonphyls ausgeliefert. All die Bilder, Gerüche und Bewegungen, denen er am Marktstand ausgeliefert war, schienen nur den einen Zweck zu haben, ihn anzulocken und in die Krallen des Händlers zu treiben.
Im Zelt herrschte fast vollständige Dunkelheit, und es stank nach Kot. Mehrere Cymph-Mäuschen eilten laut quietschend im Licht winziger Scheinwerfer zwischen Futternäpfen hin und her. Stets in Bewegung, stets auf der Flucht produzierten die kleinen Nager Botenstoffe, die bei Parfumproduzenten hochbegehrt waren und durch ein kompliziertes Melk-und Extraktionsverfahren gewonnen wurden. Agonphyl besaß offenbar eine erkleckliche Zahl der seltenen Tiere, und entgegen allen Konventionen ließ er sie frei herumlaufen.
In einer Ecke des Raumes machte Turil die Umrisse eines halbtoten Humanes aus, der auf einem Podest ruhte und vergeblich dem ihn umgebenden Kraftfeld zu entkommen versuchte. Er bewegte sich langsam, wie in Zeitlupentempo, war in einer Verjährungsstasis gefangen. Sein Sterben würde sich über mehrere Jahrhunderte hinziehen. Hatte ihn der Händler etwa nur deshalb ins Innere des Krämerladens gelockt, um ihn wie dieses bemitleidenswerte Wesen einzufrieren und ihn als Anschauungsobjekt auszustellen?
Turil blieb stehen, nestelte am Kragen seines Zeremonienmantels und aktivierte einen Teil der Wächterfunktionen. Das Gefühl des Unwohlseins nahm beängstigende Ausmaße an.
»Keine Angst, junger Turil«, sagte Agonphyl. »Ich bin kein Betrüger, und ich will dir nichts Böses. Ich schätze es bloß nicht, wenn Kunden mich übervorteilen und mein Gefieder rupfen wollen. Dieser Humanes wollte meine Ware stehlen. Er wird eine Zeit lang für seine Unverschämtheit büßen …« Der Händler lachte hässlich, schwebte dann an Turil vorbei auf den hinteren Bereich des Krämerladens zu, geschickt an den in endlosen Schleifen umherirrenden Cymph-Mäuschen vorbeimanövrierend.
»Er will dich täuschen!«, flüsterte der Zeremonienmantel Turil zu. »Der Humanes ist ein Kunstwesen. Er soll als warnendes Beispiel dienen und potenzielle Betrüger einschüchtern. Im Übrigen
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