Turils Reise
Lavaflüssen, die alsbald erstarrten.
Die Karantiker lagen weit über die Steppe verstreut. Die ersten von ihnen rappelten sich unter Wehklagen auf. Dank ihrer robusten Konstitution würden die meisten von ihnen mit dem Schrecken davonkommen; ein paar Knochenbrüche hatte Turil in Kauf genommen. Nur wenige Vogelwesen flüchteten; die meisten taten ein paar Hüpfer, um dann ste hen zu bleiben und aufgeregt auf den Asteroiden zu deuten.
Turil drehte sich zur anderen Seite des Götterberges -
und sah mit zunehmendem Entsetzen, was er angerichtet hatte. Die Oroptiker hatten große Mühe, ihre riesigen Luftkörper unter Kontrolle zu halten. Windböen wirbelten sie umher. Manche von ihnen trieben aufeinander zu. Sie folgten ihren Instinkten, umarmten und bekämpften einander mit den Hyphenarmen, assimilierten ihre jeweiligen Gegner mit einer Gier, die aus Panik geboren war. Ein erster Körper schlug gegen den Götterberg und rutschte an seiner Flanke nach unten, hinab in den Tod, gefolgt von weiteren der seltsamen Geschöpfe. »An die Verwirbelungen habe ich nicht gedacht«, sagte Turil betroffen.
»Du vielleicht nicht, Totengräber, aber ich schon«, eröffnete ihm die GELFAR ungerührt. »Ich habe mit einer zweibis dreiprozentigen Ausfallsquote gerechnet. Diese beiden primitiven Kulturen werden das Wunder, das wir bewirkt haben, gerade deshalb, weil es Opfer gibt, mit noch größerer Ergebenheit hinnehmen. Insofern sind ein paar hundert tote Oroptiker durchaus akzeptabel.«
»Du Mörder!«, schrie Turil, endgültig aus der Fassung gebracht. »Warum hast du mich nicht gewarnt? Ich hätte es verhindern können, dass die Pilzwesen dem Götterberg zu nahe kommen.« Entsetzt sah er zu, wie nun einer der größten Oroptiker abstürzte. Mehrere Dutzend kleinerer Artgenossen hatten sich in seinen Körperflanken verbissen und trudelten mit dem Riesen hinab zum Erdboden. Das Pilzwesen schlug schwer auf, brach unter seinem Eigengewicht zusammen. Ein Schwall Wasser wurde aus dem Leib wie aus einem Schwamm gepresst, kleine und kleinste Oroptiker trieben auf seiner Oberfläche dahin und wurden in Richtung Regenwald geschwemmt. Die Überreste der Pilzwesen würden die Mägen von Flugschlangen und ganzer Heere von Insekten füllen.
»Wer gibt dir das Recht, über Leben und Tod dieser Wesen zu entscheiden?«, fuhr Turil ein wenig leiser fort. »Sie wurden von ARMIDORN umgeformt, und nun werden sie von dir … von uns … missbraucht!«
»Ihr Opfer dient uns«, wiederholte die GELFAR gleichmütig. »Außerdem hast du den Fehler begangen. Hättest du mich besser instruiert, hätte ich vernünftigere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. So habe ich mich hauptsächlich auf den Schutz der Karantiker konzentriert.«
»Glaub nur ja nicht, dass ich dir das durchgehen lasse. Sobald ich zurück an Bord bin, werde ich … werde ich …«
»Was wirst du tun, kleiner Turil?«, höhnte die GELFAR. »Mein Zerebral außer Kraft setzen und mich damit reiseuntauglich machen? Meine Funktionen reduzieren? Dich im Friedenshof Grau beschweren? Nein, mein Lieber! Deine Zeit in und auf mir nähert sich ihrem Ende. Ich habe mehr als genügend Beweise für dein unehrenhaftes Verhalten gesammelt. Du beschämst dein Volk, du ziehst seine Gesetze und Ideale mit jeder deiner Handlungen in den Schmutz.« Die Stimme der GELFAR wurde immer dröhnender, immer gewaltiger. »All deine emotionellen Ausbrüche sind sorgfältig dokumentiert. Von deinen Jugendtagen an, als du dich auf Bankin mit diesem Händler namens Agonphyl eingelassen und geglaubt hast, dass euer Gespräch unentdeckt bleiben würde, habe ich dich beobachtet!«
Die GELFAR wusste …? Aber wieso hatte sie niemals ein Wort gesagt, ihn niemals an seinen Vater und später an die Gremien des Großen Thang verraten? Turils Beine begannen zu zittern. Staub drang in seine Lungen, brachte ihn zum Husten. Sein Körper schmerzte.
»Ich habe die winzigsten Details aufgezeichnet und festgehalten. Deine Traumbilder sind ebenso dokumentiert wie
deine andauernden Selbstzweifel, ebenso die ausufernden Gespräche mit den selbstgefälligsten Kreavataren, die in mir verankert sind. Ich habe deinen Metabolismus untersucht und festgestellt, dass Agonphyl mehr als dreißig deiner Körpersonden entfernt und damit dein Emotionspotenzial unerlaubterweise vergrößert hat. Er ging übrigens ziemlich stümperhaft zu Werk.« Das Schiffsgehirn sprach in einem Tonfall, dessen schreckliche Monotonie und Gefühllosigkeit mehr
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