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Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
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ohnehin schon ist.«
    »Was hat sie denn für ein Talent?«
    »Unsterblichkeit.«
    »Aber du hast doch gesagt, daß sie nicht direkt lebendig sei!«
    »Genau. Sie besitzt einen Körper und lebt darin solange, bis sie ihn leid ist. Dann tötet sie ihn und übernimmt einen neuen Körper, meistens einen jungen. Einen schöneren. Natürlich bleibt der nicht immer jung oder schön, nachdem sie ihn einige Jahre gebraucht hat; ihre Vettelnatur läßt ihn nach und nach abscheulich werden. Aber das kümmert sie nicht. Sie kann sich ja jederzeit einen anderen beschaffen.«
    »Aber wie…?«
    »Das ist ihr Talent. Wenn ihr Körper stirbt, ist sie für einige wenige Stunden ein Gespenst – ich weiß nicht genau, wie lange sie ohne Körper existieren kann, aber es ist wohl nicht sehr lange –, und dann besetzt sie einen neuen Wirtskörper, den sie bis zu seinem Tod beherrscht. Das kann sie so oft tun, wie sie will, und auch mit jedem beliebigen Wirtskörper.«
    »Mit jedem?« fragte Grundy entsetzt.
    »Mit jedem Wirtskörper, der sie auch einlassen will«, erläuterte das Ungeheuer.
    »Aber wer würde denn so etwas tun?«
    »Niemand – sofern er bei klarem Verstand ist. Aber sie hat Möglichkeiten, den Verstand zu benebeln. Deswegen habe ich auch Angst, sie könnte mich durch einen Trick dazu bewegen, sie anzunehmen.«
    »Dich durch einen Trick dazu bewegen? Wie soll sie das denn tun?«
    »Man kann sich nie sicher sein, welche Form sie gerade hat, denn sie kann jedes Lebewesen übernehmen, das ihr dies gestattet. Sie hat Jahrhunderte der Übung gehabt, um ihre üblen Tricks zu vervollkommnen. Sie könnte sogar eine Damsell in Not darstellen…«
    Grundy begriff nun die Gefahr. Aber er hatte auch noch andere Sorgen. »Warum sollte sie jemanden im Elfenbeinturm einsperren?«
    »Darauf bist du noch gar nicht gekommen?« tutete das Monster.
    »Würde ich sonst fragen?«
    »Die Vettel befindet sich in dieser Gegend – an der Ostküste Xanths – schon seit Hunderten von Jahren. Langsam beginnen die Leute etwas zu merken. Die Mütter warnen ihre Töchter vor ihr. Ich bin überzeugt davon, daß es für sie immer schwieriger wird, gesunde menschliche Wirtskörper zu finden. Auch die Tiere sind möglicherweise wachsam geworden, so wie ich es bin. Sie kann jedes Wesen übernehmen, männlich oder weiblich, obwohl sie, glaube ich, für den langfristigeren Gebrauch weibliche Gestalten vorzieht. Das soll aber nicht bedeuten, daß Männer vor ihr in Sicherheit wären; es heißt lediglich, daß sie sie nur vorübergehend benutzt, um sie sofort abzuschlachten, wenn sie einen besseren Wirt findet. Deshalb leuchtet es auch ein, daß sie sich einen perfekten Wirtskörper heranzüchtet – irgend eine arme junge Frau, die nicht von ihr fort kann und die nicht einmal weiß, was die Vettel mit ihr vorhat.«
    »Aber das muß doch jeder hier in der Gegend wissen!« protestierte Grundy.
    »Ja. Ausgenommen jemand, der in einem abgelegenen Turm aufgezogen wurde, wo er nie Gelegenheit dazu hatte, sich mit anderen zu unterhalten.«
    »Rapunzel!« rief Grundy, als er schließlich merkte, worauf das Ungeheuer hinaus wollte.
    »Deshalb hat die Vettel doch den Elfenbeinturm überhaupt erbaut«, meinte das Ungeheuer. »Um jede Generation ein Mädchen aufziehen zu können, das vollständig unschuldig und doch gesund, intelligent und schön ist. Im Elfenbeinturm hat man nicht die geringste Gelegenheit, etwas über die wirkliche Welt in Erfahrung zu bringen, und doch kann eine Person sich dort eine ziemliche Bildung aneignen. Die Vettel hat einen guten Geschmack, was Frauen angeht, da sie am liebsten die attraktivsten und nützlichsten Körper haben möchte. Zwar werden die unter ihrem Einfluß unweigerlich alt und häßlich, doch wenn sie gleich zu Beginn von überragender Schönheit sind, dauert der Prozeß etwas länger.«
    »Offensichtlich muß Rapunzel irgend etwas wissen«, sagte Grundy. »Es muß schließlich einen Grund geben, weshalb der Gute Magier mich zum Elfenbeinturm geschickt hat. Aber wenn sie völlig vom restlichen Xanth abgeschnitten ist, woher sollte sie dann wissen, wo sich der verschollene Drache befindet?«
    »Sie wird alles wissen, was die Vettel ihr erzählt«, warf das Ungeheuer ein. »Und die Vettel muß dafür sorgen, daß sie mit der allgemeinen Geographie und den Kulturen Xanths vertraut ist, denn wenn sie diesen Körper erst einmal übernimmt, ist sie durch die Beschränkungen ihres Wirts ebenfalls beschränkt. Natürlich weiß sie

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