Turm-Fraeulein
andere Gestalt annehmen konnte – und das wollte er ganz und gar nicht!
Die Vettel ließ ihm keine Zeit zum Überlegen. Sie flog eine Schleife und kam wieder auf ihn zu. Diesmal war sie recht langsam und blieb fast auf der Stelle schweben, auf ihre Chance lauernd. Grundy hielt die Nadel kampfbereit, obwohl er wußte, daß dies keine Lösung war. Sie hatte ihn in eine Position manövriert, wo es nur noch um Leben oder Tod ging, eben das, was er vermeiden wollte.
Plötzlich bewegte sie sich. Instinktiv stach er mit der Nadel zu – und verfehlte sein Ziel, denn sie drehte blitzschnell ab. Es war lediglich eine Finte gewesen. Doch sie wirbelte herum, stürzte auf ihn zu, bevor er sich fangen konnte und prallte gegen seinen Schwertarm. Als er nach vorne torkelte, fiel ihm die Nadel aus der Hand.
Er wandte sich zu ihr um, doch sie war schon wieder über ihm. Sie packte ihn mit ihren kräftigen Bienenbeinen und warf ihn zu Boden. Er stürzte und schlug sich den Kopf auf. Der Boden war nicht sonderlich hart, dennoch schwindelte ihn. Für einen Augenblick war er wehrlos.
»Jetzt habe ich dich, Golem!« summte sie. »Ich werde dich in die Unterwerfung treiben. Meine Stiche werden dich nicht töten, sondern lediglich lähmen.« Und dann brachte sie ihren Stachel in Stellung.
»Aber wenn du mich stichst, wirst du sterben!« warf er ein.
»Nein, das werde ich nicht, Golem. Es gibt Bienen und Wahnbienen, und unsere Art sticht ungestraft. Laß mich mal überlegen; ich will, daß das Fleisch noch ordentlich zart ist, deshalb werde ich dich wohl am besten in den Bauch stechen. Beiß die Zähne zusammen; es wird ziemlich wehtun, wenn du dich wie ein Ballon aufblähst. Welch eine Freude!«
Der schreckliche Stachel senkte sich auf ihn. Er konnte sie weder abwerfen noch durch seinen Sprung entweichen. Sie hielt ihn fest im Griff, der von ihren eigenen schwirrenden Flügeln noch stabilisiert wurde. Verzweifelt tastete er nach der Nadel, konnte sie aber nicht finden. Alles, was seine suchende Hand noch fand, war ein loses Stück Leine.
Leine? Das war doch das Ende des Netzes!
Der Stachel berührte seine Kleidung, als sie ihn vorsichtig heranbrachte, um die Wucht des Stichs richtig zu dosieren – schließlich handelte es sich um eine perfekte Königsbienenfolter. Jetzt oder nie!
Grundy hob blitzschnell den Arm und warf das Netz empor. Im Nu breitete es sich aus und legte sich klebrig über die Flügel der Biene.
»Iiiiihhh!« sirrte die Biene und hüpfte auf und ab in dem Bemühen, sich wieder zu befreien. Doch Grundy riß nun an der Leine, und das Netz senkte sich noch fester um sie. Eine Biene, deren Flügel verheddert waren, war im großen und ganzen völlig hilflos, wie die Spinne vorgeführt hatte. Nun hatte er sie!
Es war ein Kampf, denn sie war sehr stark und versuchte, ihn mit ihrem Stachel zu erwischen, doch er zog das Netz immer weiter zusammen und fesselte sie damit immer fester. Endlich entdeckte er sein Nadelschwert wieder und schob es in seinen Gürtel. Dann ein letzter Ruck an der Leine, der die Biene wanken ließ: Jetzt hatte er sie wirklich unschädlich gemacht.
Doch der Ausgang dieser Kammer befand sich oben an der Decke, und er war sicher, daß er ihren Körper nicht dorthin hinaufhieven konnte. Davon war sie auch überzeugt: »Noch hast du mich nicht erledigt, Golem; sobald mein Schwarm zurückkehrt, bist du ein gefundenes Stechfressen!«
Wie wahr! Was sollte er tun?
»Und ich höre ihn schon kommen, Golem!« summte sie.
Auch das war nicht gelogen. In der Ferne hörte er schon gedämpftes Surren.
Dann fand er die Lösung. »Prinzessin B9!« rief er. »Ich habe sie! Aber ich muß hier herauskommen.«
Am Eingang summte es. »Das mußt du tatsächlich«, stimmte B9 zu.
»Stich diesen Übeltäter!« surrte die Königsbiene gebieterisch.
»Das kann ich nicht«, erwiderte B9.
»Was? Wie kannst du es wagen! Warum kannst du es nicht?«
»Weil eine Königin keine Befehle empfangen kann. Sie kann sie nur geben.«
»Aber ich bin doch die Königin!«
»Du warst die Königin. Jetzt bin ich die Königin.« Und B9 flog hinunter zum Boden der Höhle, landete, nahm festen Halt und benutzte ihre scharfen Bienenklauen, um den versiegelten Haupteingang aufzuschneiden. Schon bald öffnete sich ein Loch darin.
»Danke, Euer Majestät«, sagte Grundy und schob die abgesetzte Königin in das Loch. Von dort fiel sie direkt in das Netz, das den Boden des Stocks abschirmte.
Grundy folgte ihr, etwas vorsichtiger. Doch
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