Turm-Fraeulein
Grundy wandte sich ab; die Art, wie sich Spinnen zu ernähren pflegten, behagte ihm nicht besonders.
Jetzt trug Snorty ihn den Baum hinauf, hoch zum Ast über dem Nest. »Wenn ich nicht herauskomme, bevor der Schwarm zurückgekehrt ist, verschwindest du von hier«, schärfte Grundy dem Bettungeheuer ein. »Kehre zurück zu den anderen und sage ihnen, daß sie ohne mich zurechtkommen müssen.«
»Du bist tapfer«, bemerkte Snorty.
Grundy lachte. »Tapfer? Ich schlottere förmlich vor Angst!« Dann ließ er sich an der Seidenleine hinab und schwang sich zum Eingang des Stocks hinüber. Nach ein paar Versuchen gelang es ihm, die Kante zu erwischen und hineinzukrabbeln. Es war eine ziemlich enge Sache, da er etwas größer war als die Durchschnittsbiene, doch immerhin konnte er sich dadurch auch besser verkeilen, was die Absturzgefahr minderte.
Im Inneren angekommen, holte er das erste Netz hervor und befestigte es vorsichtig am Rand des Eingangslochs. Das Gespinst war sehr leicht, aber kräftig und an den Enden klebrig; die Spinne hatte ihm gezeigt, wie er es benutzen sollte, und wenngleich er auch etwas unbeholfen war, weil er ja nicht soviele Beine hatte wie eine Spinne, ließ sich das Netz doch sehr gut befestigen. Jetzt würde keine Biene mehr so leicht hinein- oder hinausfliegen!
Nun kam der schlimme Teil. Er wußte, daß im Inneren weitere Bienen waren; schon konnte er ihr Summen hören. Er hielt sein Nadelschwert in einer Hand, das Gespinst-Netz in der anderen und machte sich auf den Weg nach oben.
Im Inneren bestand der Bienenstock aus vielen dicken Lagen Pappe, die kreisförmig angeordnet waren. Mehrere Gänge führten schräg aufwärts. Er hatte geglaubt, daß es dunkel sein würde, doch dem war nicht so; die Bienen hatten kleine leuchtende Pilze an den Kreuzungen angebracht. Das erleichterte ihm einerseits das Vorankommen, erschwerte ihm aber die Tarnung. Nun, wahrscheinlich konnten sie seine Anwesenheit ohnehin am Geruch erkennen, sobald sie erst einmal in Alarm versetzt worden waren. Bisher schienen die Bienen sich um ihr eigenes Wachs zu kümmern – zum Glück.
Grundy hielt sich tatsächlich in einem riesigen dreidimensionalen Labyrinth auf, das von innen weitaus größer wirkte als von außen. Vielleicht wandten die Wahnbienen Magie dazu an. Doch zeugte nichts von absichtlicher Verwirrung: die Gänge waren geradlinig, und es war durchaus nicht schwierig, bis zur Mitte weiterzugehen.
Jedenfalls am Anfang. Als er dort angelangt war, wo er die mittlere Kammer vermutete, dort, wo sich die Bienenkönigin eigentlich aufhalten mußte, wurde der Durchgang von einem kräftigen grauen Stück Pappe blockiert. Offensichtlich war Unbefugten der weitere Zugang verboten.
Er versuchte, ein Loch hineinzubohren, ja, die Pappe zu durchstoßen. Vergeblich. Zwar konnte er mit seiner Nadel hineinbohren, doch nur mit solcher Anstrengung, daß es die Mühe nicht wert war. Er mußte schneller ins Innere gelangen.
Folglich nahm er einen Seitengang, der erleichterte zunächst das Fortkommen, weil er eben verlief, doch war der Gang so klein und eng, daß Grundy nur gebückt weiterlaufen konnte. Zudem wußte er gar nicht, wohin dieser Weg führte. Deshalb hielt er Nadel und Netz stets einsatzbereit.
Nach einer Weile führte der Gang ihn in eine höchst imposante Höhle. Dort gab es Hunderte von Zellen, alle von sechseckiger Gestalt, mit einer bernsteinfarbigen Substanz gefüllt und mit durchsichtigem Wachs versiegelt. Dies war offensichtlich die Honigwabe – der Nahrungsspeicher des Stocks. Grundy mochte Honig, doch im Augenblick hatte er keinen Appetit darauf. Er wollte nur seine Aufgabe erledigen und wieder verschwinden, bevor der Schwarm zurückgekehrt war. Er wußte nicht, wieviel Zeit er noch hatte; die künstliche Beleuchtung nahm ihm jedes Zeitgefühl.
An einer der hexagonalen Kammern befand sich eine Arbeitsbiene. Sie erspähte Grundy. »He… du hast hier nichts zu bienen!« summte sie aufgeregt in Bienensprache.
»Ich bin der Honiginspekteur«, erwiderte Grundy in der Hoffnung, die Sache einigermaßen ruhig und gelassen über die Bühne bringen zu können.
»Ich werde sofort die Vorarbeiterbiene holen, bevor ich Ärger bekomme!« summte die Biene und krabbelte auf einen Ausgang zu.
Grundy rannte hinter ihr her und stach mit der Nadel zu. Er verabscheute es, so handeln zu müssen, doch konnte er es sich nicht leisten, die Vorarbeiterbiene auf sich hetzen zu lassen! Die Biene aber entkam, indem sie ihren
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