Turm-Fraeulein
ja nicht behaupten, daß es mir selbst sonderlich gefällt«, warf er ein. »Aber angenommen, ich… du… wir… und dann…«
»Angenommen, wir schenkten uns einander, um dann festzustellen, daß alles ein Fehler war«, sagte sie und kleidete seinen Gedanken wie so häufig in bessere Worte, als er es vermochte.
»Ja. Und…«
»Und dann bereuten wir es und wären sehr traurig über unsere Torheit.« Sie klang so ruhig und vernünftig!
»Ja.«
Sie blickte ihn an. »Ach, Grundy… laß es uns tun!«
»Was?«
»Ach, nun spiel nicht den Unschuldigen!« tadelte sie ihn. »Ich bin die Unschuldige, nicht du! Seien wir doch töricht und stellen wir fest, ob wir es hinterher bereuen.«
Die Versuchung zerrte an ihm. Das wäre ganz gewiß eine Möglichkeit, das Problem zu lösen! Auch sein Zweifel stand im Begriff, überwältigt zu werden. Mit kaum mehr als dem Anschein von Ernsthaftigkeit warf er ein: »Das meinst du doch wohl nicht ernst!«
Sie seufzte. »Natürlich meine ich es nicht ernst, Grundy«, bestätigte sie. »Ich wußte, daß du ein Edelmann bist.«
Ein Edelmann! Seine Worte hatten seinen Absichten Hohn gesprochen – doch sie hatte die Worte angenommen und nun war er darauf verpflichtet. Er war nicht nur körperlich bedeutungslos, sondern auch geistig. Er fühlte sich schlimmer als je zuvor.
»Es war falsch von mir, mich als Verführerin zu versuchen«, fuhr sie fort. »Ich bin nicht sehr geschickt darin, weil ich keine Erfahrung habe.«
»Du bist darin nicht sehr geschickt, weil du eine wahrhaft vollkommene Person bist«, berichtigte er sie.
»Nein, einfach nur unerfahren. Du bist die vollkommene Person, denn du weißt, was richtig und was falsch ist, und du entscheidest dich für das Richtige.«
»Nein! Ich bin überhaupt nichts dieser Art! Als du gesagt hast… ich wollte… ich habe nur…«
»Ich glaube, du hast einen Minderwertigkeitskomplex, Grundy. Du glaubst nicht einmal an deine eigenen guten Absichten.«
Doch sie glaubte tatsächlich an seine guten Absichten. Sie war viel zu gut, um das Böse im Geist eines anderen auch nur zu erkennen.
»Minderwertigkeit«, stimmte er zu.
»Und dennoch«, sagte sie. »Ich habe starke Vorbehalte gegen diese Elfenangelegenheit. Ich fürchte mich vor irgendeinem namenlosen Bösen, das nicht von uns stammt.«
»Wenn du wirklich nicht…«
»Oh, nein, ich bin sicher, daß du recht hast. Ich sollte die Elfen kennenlernen. Aber ich werde sehr froh und erleichtert sein, wenn es vorüber ist und wir wieder auf dem Weg nach Schloß Roogna sind. Wegen der Menschen mache ich mir inzwischen nicht mehr so viele Sorgen, nachdem ich Jordan und Threnodia kennengelernt habe. Die waren in Ordnung. Mit ihnen komme ich schon zurecht.«
»Vielleicht wirst du dann…«
»Aber ich liebe ihre Art nicht«, schloß sie. »Ich liebe dich, Grundy. Und wenn diese Elfengeschichte dich endlich zufriedengestellt hat, soll es mir das schon wert gewesen sein.«
Dann wäre sie es schon wert…
Am nächsten Tag kamen sie durch die Gegend, die See und Gebirge voneinander trennte, und bahnten sich ihren Weg durch den immer dichter werdenden Urwald. Hier gab es mehr Gewirrbäume und andere Arten, die ebenso bedrohlich wirkten, doch wenn einer von ihnen es auch nur versuchte, sein Laubwerk auf die Reisenden zu richten, stieß Stanley eine Dampfwolke aus, und der Angreifer zog sich wieder zurück.
Da erreichte Grundy eine Nachricht von einer nahegelegenen Elfenulme. Er seufzte innerlich; wie bequem es doch gewesen wäre, wenn sie unterwegs keines gefunden hätten! Doch nun mußten sie dorthin – eine Vorstellung, die ihm sehr unbehaglich war, wenngleich aus reinen Vernunftgründen. Er fürchtete einfach, daß Rapunzel die Elfen allzu sehr mögen würde und zu dem Schluß gelangte, daß hier ihr wahres Zuhause sei. Doch er mußte ihr diese Chance geben.
Sie kreisten ihr Ziel ein, doch die Elfengebiete waren sehr weiträumig, und so hatten sie die Elfenulme, die sie suchten, bei Nachtanbruch noch nicht erreicht. Folglich mußten sie ihr Lager aufschlagen, Nahrung heranschaffen und sich niederlassen.
»Ach, jetzt fühlt es sich noch viel schlimmer an!« klagte Rapunzel.
»Die Elfen werden uns nichts tun«, versicherte er ihr. »Nicht, wenn wir ihnen die Sache erklären. Es sind vernünftige Leute.«
»Ich weiß. Es sind auch nicht eigentlich ihre Absichten, vor denen ich mich fürchte.«
Aber sie wußte nicht so genau, wovor sie sich dann fürchtete. Also küßte sie ihn und
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