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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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nickte.

    »Kein guter Mann? Einer von der Sorte, bei dem man die Straßenseite wechselt, wenn man ihn kommen sieht?«
    »Genau so einer.«
    »Und hier sind Sie also, an diesem wundervollen Abend, Meilen weit weg von jeder Stadt, mit einer Handvoll neuer Freunde. Und immer noch versuchen Sie, die Straßenseite zu wechseln, um diesem Mann aus dem Weg zu gehen.«

Kapitel Zwanzig
    Der Mond hing groß und orange wie ein Halloween-Kürbis am Himmel, ein perfekter Kreis, der die Skyline der Stadt - einstöckige Lebensmittelläden, drei-oder vierstöckige Apartment-oder Bürohäuser, gemischt mit Hochhäusern - noch exzentrischer und unnatürlicher aussehen ließ. Keine rechten Winkel in der Natur. Daran musste ich denken. Reste aus einem ansonsten vergessenen Kunstunterricht.
    Auf dem Sitz neben mir legte Randy den Kopf in den Nacken und spritzte sich Kochsalzlösung in die Nase. Eine Flasche von der Größe wie die, in der Merthiolat verkauft wurde, als ich noch ein Kind war und wir alle es Affenblut nannten. Das Zeug war wie Farbstoff. Wenn du es auf die Haut bekamst, blieb das drauf, bis die Haut abgescheuert war. Allerdings gab’s damals kaum Plastik. Affenblut kam in einer Glasflasche. Man trug es mit einer Glaspipette auf, die im Deckel befestigt war. Plastikgeschirr kam erst auf, als ich in der Grundschule war.
    »Alles okay?«, fragte ich.
    »Mir geht’s gut. Hör zu: Wenn du Probleme mit dem Streifenwagen hast, den du bekommst, bringst du ihn direkt zurück, okay? Die Lenkung ist verzogen, er schrappt durch Schlaglöcher oder über Buckel, vielleicht sind die Spiegel komplett blind, dann bringst du ihn zurück.« Er steckte das Fläschchen mit der Kochsalzlösung weg und starrte geradeaus. »Nicht anders bei deinem Partner.«

    Ungeachtet unseres Dienstgrades waren wir in einem ungekennzeichneten Zivilfahrzeug auf die Straße zu ganz normalen Einsätzen geschickt worden. Andere Detectives rief man zuerst, wir waren immer nur die Verstärkung. Die hohen Tiere trauten Randy nicht.
    Wir bogen in den Maple Drive ein. Draußen vor einem Piggly Wiggly saß ein etwa sechzehnjähriges Mädchen an einen Press-Scimitar-Zeitungskasten gelehnt, die Knie angezogen, den Kopf gesenkt. Sie hatte sich den Müllsack, der ihr Gepäck darstellte und ihre gesamte Habe enthielt, unter die Beine gestopft. Als ich aus dem Streifenwagen stieg, schlug mir bereits aus einer Entfernung von fünf Metern ihr Geruch entgegen. Ich ging auf die ausgemergelten, blassen Oberschenkel zu. »Alles in Ordnung, Miss?«
    Ihre Augen drehten sich nach oben, fanden mich. »Was?«
    »Ist alles okay?«
    »Keine Ahnung. Sehe ich okay aus?«
    Ich half ihr auf die Beine. Aus reinem Reflex schoss ihre Hand zu dem Müllsack, den sie mit aufhob. Sie schwankte, richtete sich dann ganz auf, fand ihr Gleichgewicht. War fast so groß wie ich.
    »Gibt nicht mehr viele Gentlemen.«
    »Haben Sie einen Ort, wo Sie hingehen können, Miss?«
    Sie dachte einen Moment nach, schüttelte den Kopf.
    »Dann …«
    »Eine Schwester«, erzählte sie mir. »West Memphis. Nur über die Brücke.«
    »Dann sollten Sie jetzt besser dorthin gehen. Wenn Sie hier rumhängen, werden Sie früher oder später einkassiert. Oder es passiert Ihnen sogar Schlimmeres.«

    Sie wuchtete sich den Sack über die Schulter. »Danke, Officer.«
    »Nichts zu danken. Passen Sie einfach nur auf sich auf, Miss.«
    »Sie auch.«
    »Fünf Blocks weiter hat sie wieder vergessen, wohin sie wollte«, sagte Randy, als ich in den Wagen stieg. »Das weißt du.«
    »Dann - was? Wir buchten sie ein, und morgen steht sie wieder auf der Straße, nichts gewonnen außer ein oder zwei warmen Mahlzeiten, ein paar Beschimpfungen, wenn sie Glück hat, eine Vergewaltigung und ein-oder zweimal Prügel, wenn nicht. Wir bringen sie in die Notaufnahme eines Krankenhauses, sie bekommt eine psychologische Beratung, wer weiß, wohin das führt. Schwer vorstellbar, dass es ein guter Ort sein wird.«
    Wir rollten langsam an einer Reihe von Ladenfronten vorbei, unabhängige Versicherungsberater, ein Reisebüro, ein Secondhandladen, solche Geschäfte eben, bogen dann in eine Allee ein, den zeitweiligen Lieblingstreff von herumstreifenden Teenagern aus der Gegend, und fuhren weiter.
    »Es sind die Medikamente«, sagte Randy, als wir uns wieder in den fließenden Verkehr einfädelten. Querstraßen tickten vorbei. Walnut Street, links auf die Vance Avenue und über die Orleans Street. »Trocknen dich ziemlich heftig aus.«
    Lauderdale

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