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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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unter sich, dachten nicht mehr daran, die Häuser abzuklappern. Zwei oder drei tauchten noch in der Stadt auf, kauften Dinge des täglichen Bedarfs in hiesigen Geschäften ein, bezahlten stets bar und sahen zu, dass sie so schell wie möglich wieder fortkamen.«

    »Der Kodex hatte sich verändert.«
    »Genau.«
    »Falls sie überhaupt etwas sind, dann sind Zigeuner ein Beleg für die Anpassungsfähigkeit von Tradition, wie man sich verändert, um doch derselbe zu bleiben.«
    »Denken Sie viel darüber nach? Wie es früher war, wie Sie sich verändert haben, um mit der Zeit zu gehen?«
    Sie hatte etwas von der Gabe ihres Vaters, ruhig abwarten zu können, wie Männer auf Hochsitzen. Vielleicht hatte sie es von ihm gelernt. Oder vielleicht war sie auch einfach nur ein guter Zuhörer. Allein diese Eigenschaft könnte Männer mit einer Last auf den Schultern anziehen, Männer, deren verborgener Schmerz allmählich zu einem Missbrauch der einen oder anderen Art erstarrte, emotional, körperlich. Ich hatte das schon oft genug erlebt.
    Obwohl ich vielleicht endlich aufhören sollte, so viel in so einfache Dinge hineinzuinterpretieren.
    Nur zu gut erinnerte ich mich an die Selbstgefälligkeit von Therapeuten, die ich aufsuchte, und andere, später, für die ich einsprang. Viele von ihnen taten so, als wären Persönlichkeiten so etwas wie chinesische Menüs, etwas aus Rubrik A, ein bisschen was aus Rubrik B, immer wieder dieselben paar Soßen, Speise um Speise, lediglich wechselnde Zusatzstoffe, gebt uns zehn Minuten, große Geheimnisse gibt’s da nicht. Schon recht früh schwor ich mir - einer der wenigen Schwüre, die ich immer gehalten habe -, mich einem solchen Ansatz auf jede mir erdenkliche Art zu widersetzen. Es gab Gelegenheiten, da machte mich dieser Entschluss erfolgreich. Genauso oft allerdings, fürchte ich, machte es mich wertlos. Instinktiv jedoch wich ich dieser
arrogant von sich selbst überzeugten, mechanistischen, reduktiven Einstellung aus, wann immer ich sie kommen sah: wusste, sie würde mich genauso todsicher reduzieren und kleinmachen wie meine Klienten.
    »Ich will ja nicht neugierig sein, Mr. Turner«, sagte June.
    Zwischen dem Geknister des Funkgeräts drängte sich Don Lees Stimme dazwischen, ein Fuß in der Tür.
    June, bist du da?
    »Zehn-vier, Don Lee.«
    Schon was vom Sheriff gehört?
    »Gerade eben.«
    Brauch ihn hier draußen. Sofort.
    »Bist du noch bei Velma?«
    Positiv.
    »Er wird von mir wissen wollen, warum.«
    Sag ihm, ich hab Velmas Jungen im Schuppen hinter dem Haus gefunden, gefesselt. Die Hühner waren dran. Haben gute Arbeit geleistet. Haben sich die besten Teile schon geholt.

Kapitel Vierundzwanzig
    »Es heißt, du kommst bald raus«, sagte Backbone.
    Ich hatte eine Anhörung am nächsten Morgen.
    »Vielleicht.«
    »Nein, vielleicht gibt’s da nicht. Die Sache ist geritzt.«
    Seine Hand schob sich über die Bettkante. Ich nahm das Blatt Papier, das sie hielt, und faltete es auseinander.
    »Das sind so zwei, drei Tage Arbeit, schätze ich mal so. Du musst nicht, verstehst du. Nichts davon.«
    Ich las. Mitteilungen, die ich Ehefrauen, Kindern, Eltern, Kameraden, Freunden überbringen sollte. Der Schlüssel zu einem Schließfach, den ich an einer Stelle abholen und jemand anderem geben sollte. Zwei, drei andere kleinere Erledigungen. Überhaupt nicht weiter ungewöhnlich, dass Häftlinge, die entlassen wurden, solche Wunschzettel mit nach draußen nahmen. Ich sagte, alles wäre okay.
    »Auch kein Problem mit der letzten Sache?«
    Ein klassischer Schwitzkasten-Job. Und für keinen Geringeren als Billy D, den Mann, der mir in der Wäscherei seine Handlanger auf den Hals gehetzt hatte. Jetzt bat er mich, seinen Partner aufzusuchen, der ihn verraten hatte, ein Partner, der bei dem Ding entkommen war, durch das Billy in den Knast gewandert war, und der die Beute zur späteren Abholung gebunkert hatte, einschließlich Billys Anteil, bevor er dann zur Singdrossel wurde und für die Anklage aussagte und behauptete, aber auch nicht die geringste
Idee zu haben, wo das Geld geblieben wäre. Billy D wollte ihn wissen lassen, dass man ihn nicht vergessen hatte, wollte ihm »eine Geburtstagskarte schicken«, wie er sich ausdrückte, als wir uns später an diesem Tag im Kasino begegneten. Gebratenes Frühstücksfleisch von der Farbe neuer Haut, wie sie nach schweren Verbrennungen wächst, lag in der oberen Hälfte unserer Alu-Teller, schlaffes Gemüse im Fach unten rechts, wässriger

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