Turner 02 - Dunkle Vergeltung
alles da drin war.
»Na, haben wir eine Spritztour gemacht?«
»Eine kleine Sache, um die ich mich kümmern musste. Ließ sich nicht mehr länger aufschieben. Und, wie läuft’s bei dir?«
»Bei mir ist soweit alles klar.«
»Hab mir überlegt, ich esse schnell einen Happen und mach mich dann auf den Weg ins Büro. Mal sehen, ob ich irgendwie helfen kann.«
Shirley öffnete die Tür, als wir auf die Veranda traten. Sie drückte mich kurz und umarmte dann Lonnie. Drinnen
warteten bereits von ihr zubereitete Sandwiches und frischer Kaffee in einer dieser Kannen, die aussehen wie kleine Urnen.
»Hast du vorher angerufen und schon mal die Bestellung aufgegeben?«, fragte ich.
Er zuckte die Achseln. Shirley lächelte, sagte, sie würde für uns beten, und entschuldigte sich.
Während er aß und ich Kaffee trank, erzählte ich ihm von dem Anruf aus Memphis.
»Eine umfassende Untersuchung vor Ort, meine Fresse«, meinte Lonnie, als ich fertig war.
Er zog eine Selleriefaser zwischen den Zähnen hervor und fragte dabei: »Kommen die Kids in den Bergen klar?«
»Isaiah ist wieder bei ihnen, mit Gips und allem. Bei all den Leuten, die jetzt mit anpacken, sieht’s da oben so langsam richtig gut aus.«
Er stand auf, zog den Stecker der Kaffeemaschine aus der Dose, brachte sie herüber und schenkte uns beiden nach.
»Brauchst du irgendwas, Turner? Gibt’s was, das ich für dich tun kann?«
»Ich brauch nur Zeit …«
»Zeit, genau. Die Zeit ist unser schlimmster Feind und auch unser bester Freund, alles in einem. Wenn’s irgendwas gibt …«
»Werd ich fragen, Lonnie.«
»Fänd’s gut, wenn ich das nicht sagen muss.«
»Musst du nicht.«
»Gut.«
»Diese Angelegenheit, um die du dich kümmern musstest …«
»Keine große Sache. Es gab da noch was zu klären. Ist jetzt erledigt.« Er nahm sich ein weiteres halbes Pimiento-Cheese-Sandwich, deren Kruste abgeschnitten war. Die Käsemasse aus Cheddar und Pimientos und weiteren Zutaten hatte Shirley selbst hergestellt, in einer alten, handbetriebenen Küchenmaschine, schwer wie ein Amboss. »Wir machen uns Sorgen um dich, weil du da oben ganz allein in deiner Hütte hockst. In Zeiten wie diesen braucht ein Mann …«
»Ich war da, wo ich sein musste, Lonnie. Und habe getan, was ich tun musste.«
»Genau. Wer wüsste das besser, hm?«
»Mir geht’s gut.«
Draußen im Wohnzimmer lief der Fernseher, und unser amtierender Präsident, ein Mann aus dem erzkonservativen Lager, das dabei war, diesem Land im Namen der Freiheit den Hals umzudrehen, ein Mann, der nur vorgab, seine Hausaufgaben zu machen, von keinem Selbstzweifel geplagt, er sprach über die »jüngsten Schwierigkeiten in der Alten Welt.« Und wieder staunte ich darüber, wie wir es immer schaffen, uns einzureden, dass unser Handeln richtig und gerecht und zum Wohle aller ist.
»Es ist wirklich bewundernswert, was diese Kids da oben machen«, sagte Lonnie, »so verrückt es auch ist. Sie haben eine Idee, einen Leitstern, an dem sie sich
orientieren, und sie sind bereit, für die Verwirklichung ihrer Ziele alles zu geben. Wie viele von uns können das von sich sagen?«
Kurz darauf kehrte J.T. in die Stadt zurück. Ich sah ihren Pick-up die Straße heraufkommen und ging sie draußen vor dem Büro begrüßen. Sie wirkte erschöpft - erschöpft und aufgedreht zugleich -, als sie eine Sporttasche aus dem Führerhaus wuchtete und hochhielt, um zu zeigen, dass dies alles war. Es sei immer dasselbe, wenn sie verreise, sagte sie, sie sei wie gerädert, könne aber trotzdem nicht zur Ruhe kommen. Ich erzählte ihr von dem Anruf aus Memphis. Sie hörte aufmerksam zu, schüttelte den Kopf und sagte gar nichts.
»Und, wie ist’s gelaufen?«
»Okay. Wie geht’s dir?«
»Ging mir schon schlechter. Und, konntest du alles erledigen, was du dir vorgenommen hattest?«
»Na ja, ich hab mein Bestes gegeben.«
»Versuchen sie immer noch, dich zurückzubekommen?«
»Nee, aus und vorbei, der Zug ist abgefahren - und ich habe einen tierischen Kohldampf.«
»Dann komm mit mir nach Hause. Ich koche.«
Sie zögerte. »Ich glaube, ich will jetzt nicht in der Blockhütte sein, Dad.«
»In Ordnung, dann gehen wir essen. Wonach ist dir?«
»Völlig egal, solange es nicht der Imbiss ist. Halt, das nehme ich zurück. Mir ist nach Fleisch. Nach einem ordentlichen Stück Fleisch.«
Und da Eldon in ungefähr einer Stunde im Steakhouse spielte, gab’s da eine bessere Wahl?
Also war die Entscheidung gefallen und wir
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