Turner 02 - Dunkle Vergeltung
sie.
Die Kids waren da unten und durchkämmten den Schutt. So sah es jedenfalls für mich aus. Vor dem schimmernden Mond stieg Rauch aus den Resten der Hütte auf. Kurz nach unserer Ankunft kamen sie angezockelt - alle außer Stillman, der zurückgeblieben war, nachdem er die anderen in den Wald geschickt hatte, um dann selbst den Eindringlingen Widerstand zu leisten.
Wir hörten Nathan erst, als er fast neben uns stand.
»Vermisst ihr jemanden?«
Er hielt seine Schrotflinte in der Armbeuge, den Lauf abgeknickt. Mein Vater und Großvater machten das auch immer so.
»Der Junge ist da hinten, ungefähr eine Meile von hier.«
»Ist er in Ordnung?«
Nathan sah hinunter auf das, was von dem Camp noch übrig war. »Wird schon. Müssen das Bein schienen, bevor wir ihn bewegen können.«
J.T. und ich tauschten Blicke aus. »Haben Sie gesehen, wer das gemacht hat?«, fragte sie.
Nathan nickte.
»Waren drei. Hab die anderen weggehen sehen und
wusste, dass sie klarkommen. Der Junge, der die Sache hier irgendwie leitet …«
»Isaiah.«
»Er und die, denen ich gefolgt bin, die haben das hier gemacht. Nehme an, es kam hart auf hart …« Er hob eine Schulter, richtete den Gewehrschaft einige Zentimeter auf, drehte sich dann ohne ein weiteres Wort um und verschwand im Wald. Wir folgten ihm.
»Du bist doch nie im Leben mitten in der Nacht zum Jagen hier draußen.«
»Normalerweise nicht.«
Ich blieb stehen und legte Nathan eine Hand auf die Schulter. Wahrscheinlich hatte ihn seit Jahren niemand mehr berührt. Er blickte auf meine Hand hinunter, war vermutlich genauso überrascht wie ich, aber es war seinem Gesicht nicht anzusehen.
»Ich hab auf sie aufgepasst«, sagte er. »War doch klar, dass sie auf die eine oder andere Art Probleme kriegen würden.«
»Auf sie aufgepasst, hm.« Wir gingen einen steilen Weg hinauf und dann hinunter in eine Senke. Ein Stück vor uns sah ich Isaiah Stillman an einen umgestürzten Ahorn gelehnt. Ein paar Schritte daneben lag ein weiterer Körper. »Wegen deinem Hund. Der diesen Jungen neulich getötet hat.«
»Hat mir zu denken gegeben. Hab mir schon gedacht, dass der Ärger bald hierher kommen würde, zu ihnen auf den Berg rauf.«
»So wie das hier«, meinte J.T.
»Oder schlimmer. Jawohl, Ma’am.«
»Sheriff«, sagte Stillman, als wir uns näherten. »Geht’s den anderen gut?«
Ich nickte.
»Das alte Arschloch da hat auf mich geschossen«, schimpfte der andere. Es sah schlimmer aus, als es war. Nathan wusste, wie weit er entfernt war und wie stark das Schrot streuen würde. Die Hose des Jungen war zerfetzt, sein Hintern ziemlich blutig. In der Notaufnahme würde jemand einige Stunden damit beschäftigt sein, mit der Pinzette Schrotkugeln zu entfernen. Aber der Junge würde schon bald wieder auf den Beinen sein.
»Du bist still«, befahl ihm J.T.
»Die waren zu dritt«, sagte Nathan. »Alles Jugendliche. Schätze mal, seine Freunde haben sich inzwischen unter ihren Betten verkrochen.«
J.T. sah mich an. »Dann war das also keine weitere Botschaft aus Memphis.« Denn genau das hatten wir beide gedacht, auch wenn keiner es ausgesprochen hatte.
»Schätze, nein.«
»Die wollten mich provozieren«, sagte Stillman. »Als ich nicht gegen sie kämpfen wollte, sind sie wütend geworden.«
»Haben angefangen, den Jungen übel zu verprügeln. Hauptsächlich der da.«
Als Nathan mit dem Kinn in seine Richtung deutete, wollte der Junge etwas erwidern. J.T. verpasste seinem Fuß einen Tritt.
»Also hast du sie gestoppt«, sagte ich.
Nathan nickte. Er zog sein Messer, schälte ein dickes Stück Rinde von dem umgestürzten Baum und hackte dann einige lange Ranken von einem Busch in der Nähe. Drei Minuten später hatte er Isaiahs Bein geschient. »Ich denk mal, den anderen schmeißen wir einfach hinten auf den Truck.«
»Oder in eine der Schluchten«, meinte J.T.
Eins stand fest: Das Mädel lernte schnell.
Kapitel Siebenundzwanzig
Wir brachten Isaiah und den Jungen namens Sammy ins Cahoma County Hospital, sammelten dann die anderen beiden ein und steckten sie die Nacht über in die Zelle. Morgen kamen sie entweder ins Cahoma-County-Gefängnis oder rauf nach Memphis, je nachdem was Richter Gray entschied. Beide verströmten den Geruch von abgestandenem Bier und einer Form von Angst, die sie bisher noch nicht kennengelernt hatten. Ein Elternpaar kam rein, hörte sich an, was wir ihnen zu sagen hatten, schüttelten die Köpfe und ging. Die andere, eine alleinerziehende Mutter,
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