Turrinis Bauch - Kriminalroman
Lederkluft, dass man meint, die Nähte könnten jeden Moment reißen. Und mit genau demselben spöttischen Blick wie damals im Schwarzweiß-Fernseher die Emma Peel .
Diana Rigg hat sie geheißen, die Schauspielerin. Der Canetti ist ja Jahrzehnte später extra nach London geflogen, damit er die Diana Rigg einmal in echt sieht. Am Royal Theatre. Als Mary Stuart . War ja eine grandiose Shakespeare-Schauspielerin, die Diana Rigg. Nur: So sexy wie als Emma Peel war sie leider nicht. Weil du dich als schottische Königin natürlich nicht in hautenges Leder schmeißen kannst.
Gut, jetzt wissen wir wenigstens einmal, warum der Canetti so blöd dreinschaut. Warum aber schaut die Gucki so deppert?
Der Canetti ist irgendwie komisch angezogen. Schwarze Knickerbocker-Lederhose, feuerrote Stutzen, rotes Gilet, und als Krönung ein breitkrempiger schwarzer Hut mit einer kecken Feder, ebenfalls in Rot. Ist aber kein Faschingskostüm, sondern nur die Uniform der Marktmusikkapelle Weißenbach .
Nur kommt halt die Gucki ums Verrecken nicht auf die Musikkapelle. Weil sie ganz woanders ist. In einem Piratenfilm nämlich: Freibeuter der Meere . Eigentlich gar nicht so abwegig. So wie der Canetti jetzt vor ihr steht, die Vorderlader-Pistole lässig auf ihre Brust gerichtet, hat er schon eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Eroll Flynn. Auch wenn sein Schnurrbart nicht so aufreizend schmal ist wie beim König der Piraten. Trotzdem tät sich die Gucki kein bisserl wundern, wenn er jetzt einen Degen ziehen tät, um ihr die Lederklamotten mit spitzer Klinge vom Leib zu schälen. Weil sie ja eigentlich gar nichts dagegen hätt.
Kurzum: Die zwei haben jeder einen ziemlich einen unanständigen Film im Schädel rennen. Absolut nicht jugendfrei! Macht also keiner den Mund auf. Und keiner bewegt sich auch nur einen Millimeter.
Wahrscheinlich täten sie heute noch so dastehen. Wenn nicht auf einmal der Radetzkymarsch eingesetzt hätte. Jetzt hat es der Canetti auf einmal doch gnädig. Ist ja in der Pause vom Dämmerschoppen nur schnell heim, weil er seine Lesebrille vergessen hat. Weil er ohne Brille die Noten nimmer dersieht.
Nimmt er der Gucki also die Aktenmappe aus der Hand, legt sie an ihren Platz und versperrt den Tresor. Dann setzt er ihr die Pistole an die Brust, schaut ihr tief in die Augen und drückt ab.
„Aber Herr Doktor! Eine ordentliche Puffen ist es nur dann, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass sie geladen ist, wenn man sie braucht!“, sagt die Gucki nach einer Schrecksekunde.
„Vielleicht sollten Sie das nächste Mal Ihren Besuch doch ankündigen, Frau Magister?“, entgegnet der Canetti und hält der Gucki galant die Tür auf: „Nach Ihnen!“
So kommt die Gucki an diesem Samstagabend doch noch zu einer ordentlichen Portion Kultur. Zum Dämmerschoppen der Marktmusikkapelle Weißenbach . Weil sie der Canetti aber boshafterweise dem Obmann des Musikvereins vorgestellt hat, kann sie sich nicht nur eine geschlagene Stunde lang geisttötende Marschmusik anhören, sondern gleich auch noch die ganze hundertfünfzigjährige Geschichte der Musikkapelle. Erst nach dem feierlichen Gelöbnis, von dieser Sternstunde der Blasmusik einen halbseitigen Bericht samt Foto in den Mühlviertler Nachrichten zu bringen, kann sie dem Herrn Obmann entrinnen.
War gar nicht so leicht, in diesem ganzen Dämmerschoppen-Durcheinander den Canetti zu finden. Gleich fünfzig Männer in Piraten-Verkleidung! Aber auch als sie ihn endlich aufgetrieben hat, ist an ein vernünftiges Gespräch nicht zu denken. Weil dem Franz seine Musikkameraden natürlich geistreiche Witze über seine Damenbekanntschaft machen müssen. Da kann sich die Gucki schon so einiges anhören – von der Rockerbraut bis hin zur Strengen Herrin .
Irgendwann wird ihr das Ganze aber dann doch zu blöd. Schnappt sie sich den Canetti und schleift ihn in das finsterste Winkerl vom Weißenbacher Marktplatz.
„Darf ich Sie morgen zum Mittagessen einladen?“, fragt die Gucki.
„Welches Gasthaus?“
„Zu mir!“
„Sie kochen?“
„Und wie!“
„Gern! Aber erst um eins: Am Sonntagvormittag pflege ich zu tarockieren.“
„Verspielen Sie halt nicht alles! Nicht dass es fürs Benzin für den Jaguar nicht mehr reicht!“
„Im Notfall komm ich halt per Autostopp!“
So ist es da hin und her gegangen. Zwischen der Gucki und dem Canetti. Schon eine ziemlich eine Spannung. Aber jetzt Spannung wegen dem Einbruch und wegen dem Testament von der Erni – oder doch eine andere
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