TURT/LE: Gefährlicher Einsatz (German Edition)
einem Stuhl geführt, während der Kommandant in einem gepolsterten Ledersessel hinter seinem gewaltigen Schreibtisch Platz nahm. Nachdem er die Wachen weggeschickt hatte, betrachtete er Jade schweigend über seine zusammengelegten Fingerspitzen hinweg. Sie bemühte sich, unter seinem Blick nicht auf dem Stuhl herumzurutschen. Stocksteif saß sie da, die Hände um die Armlehnen gekrallt, um zu verhindern, dass sie sich bedeckte. Sie durfte keine Schwäche zeigen.
»Mein Name ist Jeduhin Mogadir.«
Jade konnte ein leichtes Zucken ihrer Augenlider nicht verhindern.
»Ah, ich sehe, Sie haben von mir gehört.«
Das hatte sie tatsächlich. Und nichts Gutes. Mogadir war dafür berüchtigt, seine Rebellengruppe mit harter Hand anzuführen. Jeder fürchtete ihn, sogar seine eigenen Männer. Der Grund, warum nicht viel über ihn herauszubekommen war, lag in der Art, wie er Verrat bestrafte. Kinder wurden abgeschlachtet, Frauen geschändet und dann getötet, sollten sie noch leben, und Männer wurden aufgeschlitzt und die Haut wurde ihnen abgezogen, bevor sie auf der Straße ausgestellt wurden – als mahnendes Beispiel an alle. Seine Feinde wurden entweder grausam zugerichtet gefunden oder verschwanden für immer. Dies war sein Stammesgebiet, sein Königreich. Er herrschte hier uneingeschränkt, und es war weder der neuen Regierung noch den alliierten ausländischen Truppen gelungen, ihn zu finden und sein Netzwerk zu vernichten. Er war der Grund, warum sie mit Kyla nach Afghanistan gekommen war. Jade hatte nur nicht erwartet, ihm jemals persönlich gegenüberzusitzen. Es war erstaunlich, wie harmlos er aussah, eher wie ein Firmenchef, mit einem Computer auf seinem eleganten Schreibtisch.
»Dann sind Sie eindeutig im Vorteil, denn ich kenne Ihren Namen nicht. Sagen Sie ihn mir.« Bisher hatte er Dari gesprochen, doch jetzt wechselte er ins Englische. »Ihr Name. Sie verstehen mich doch, oder?« Es war keine Überraschung, dass er ihre Sprache konnte, auch wenn sein Akzent unmissverständlich darin mitschwang. Mogadir war dafür bekannt, nichts dem Zufall zu überlassen und immer genau über seine Feinde Bescheid zu wissen.
»Ich … ich bin Ann Jenkins. Lassen Sie mich bitte gehen, ich bin Mitarbeiterin einer internationalen Hilfsorganisation. Ich wollte doch nur helfen.«
»Es laufen erstaunlich viele Helfer durch unsere Straßen.«
»Das Land braucht diese Hilfe dringend.« Ihre ruhige Feststellung traf scheinbar einen wunden Punkt.
»Wir sind gut allein zurechtgekommen – bis Ihre Landsleute eingefallen sind und alles zerstört haben. Wer hat denn unsere Städte zerbombt, unsere Frauen und Kinder getötet?« Zum ersten Mal lag so etwas wie Gefühl in seiner Stimme. »Ist es nicht reichlich verlogen, ein Land erst zu zerstören und dann wiederzukommen und so zu tun, als würde man helfen wollen?«
Irgendwie konnte Jade seinen Standpunkt sogar verstehen, und das machte ihr Angst. »Ich kann nur für mich sprechen, aber ich bin allein deswegen hierhergekommen, um zu helfen.« Dabei zu helfen, Mogadirs Netzwerk zu vernichten, aber das sagte sie natürlich nicht.
»Und Ihre Freundin?«
Eiseskälte breitete sich in ihrem Körper aus. »Welche?«
Mogadir beugte sich vor, seine dunklen Augen bohrten sich in ihre. »Die, mit der Sie die Unterkunft teilen.« Sein Finger tappte auf die Schreibunterlage. »Die mit Ihnen geflohen ist.«
Woher wusste er von Kyla? War sie auch gefangen genommen worden? Saß sie womöglich in einer der Zellen und wartete auf ihre Rettung? Oh Gott, wenn sie beide gefangen waren, würde niemand die gesammelten Informationen übermitteln und ein Rettungsteam rufen. Niemand würde wissen, wer sie entführt hatte.
»Sie ist ebenfalls eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation.«
»Wovor sind Sie geflohen?«
»Wir wurden verfolgt … «
»Sie haben Ihre Unterkunft nach der Ausgangssperre verlassen. Sie wollten doch sicher keinen Abendspaziergang machen.«
»Wir hatten einen Hilferuf erhalten.«
»Von wem?«
»Eine Frau sollte ihr erstes Kind bekommen, und es gab Komplikationen.«
Die Rückenlehne quietschte, als er sich zurücklehnte. »Keine afghanische Frau würde sich von Amerikanern helfen lassen.«
»Manche schon.« Ihr ruhiger Widerspruch schien ihn zu irritieren. Wahrscheinlich war er es nicht gewöhnt, dass eine Frau – dazu noch eine nackte – so mit ihm sprach.
»Meine Informanten sagen, dass Sie eine amerikanische Spionin sind.«
Jade versuchte, keine Reaktion zu zeigen.
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