Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
auf den Jack gewartet hatte. Fenton war immer auf seiner Seite gewesen. Aber die anderen Verwaltungsratmitglieder, insbesondere Fred und Bijan, waren immer noch vor Jack auf der Hut, überzeugt, dass Twitter in seiner Anfangszeit aufgrund seiner Führungsschwäche beinahe untergegangen wäre.
Nun bat ein Vorstandsmitglied bei Twitter Jack um Hilfe. Wie Jobs begriff Jack, dass er nur ins Ohr des einen zu tuscheln brauchte, damit das Geflüster an anderer Stelle laut hinausposaunt würde. So begann Jack zu flüstern.
»Für mich stehen Sie im selben Rang wie der Vorstandschef, undwenn Sie mit Ev gesprochen haben, ohne etwas zu bewirken, sollten Sie sich an den Verwaltungsrat wenden«, riet Jack. »Sprechen Sie mit Fenton, mit Bijan, mit Fred – mit wem auch immer –, und berichten Sie ihnen von Ihren Sorgen. Sprechen Sie mit den anderen Vorständen.«
Genau das tat Abbott. Er sprach mit dem Verwaltungsrat über seine Bedenken hinsichtlich Ev und Goldman und gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass das Unternehmen nicht nur auf dem falschen Weg sei, sondern völlig richtungslos.
Abbott riet seinen Kollegen im Vorstand, sich ebenfalls mit Jack zu treffen. Das Geflüster kam schließlich auch Ali Rowghani zu Ohren, der als Finanzvorstand angeheuert worden war und ebenfalls wegen Evs Zaudern bei drängenden Entscheidungen frustriert war. Rowghani vereinbarte ein Treffen mit Jack im Blue Bottle Coffee in der Nähe der Square-Zentrale. Dort, im Duft von Kaffee für 5 Dollar die Tasse, lamentierte Ali über den Zustand der Firma. Adam Bain, der sich bei Twitter um die Steigerung des Ertrags kümmerte, schaute ebenfalls bei Jack vorbei. Und schließlich folgte ihnen auch Dick.
Es war beileibe nicht so, dass Twitter kurz vor dem Zusammenbruch stand. Ganz im Gegenteil. Twitter hatte das Suchmaschinen-Geschäft mit Google und Microsoft unter Dach und Fach gebracht, experimentierte mit neuen Werbekonzepten und führte eine neue Form von Anzeigen-Tweets ein. Auch die Stabilität war auf dem Weg der Besserung. Das technische Team hatte eine umfassende langfristige Strategie für den kompletten Neuaufbau der Server-Architektur entwickelt und die Probleme mit dem Altsystem behoben, mit denen sich das Unternehmen von Anfang an herumgeschlagen hatte.
Das Problem war Ev. Er war noch immer unfähig, eine Entscheidung zu fällen. Seine Kommunikation mit dem Verwaltungsrat und dem Topmanagement war unregelmäßig. Einige, wie Mike Abbott, nahmen es persönlich, wenn sie nicht an hochrangigen Beratungen und Entscheidungen beteiligt wurden.
Ev leitete eine Firma, deren Führung selbst dem erfahrenstenManager zu schaffen gemacht hätte. Was in einem kleinen Start-up wie Odeo nur geringe Schwierigkeiten bereitet hatte, verursachte in einem Unternehmen, das so schnell gewachsen war wie Twitter, Riesenprobleme. Unter Jacks Vergrößerungsglas dem Verwaltungsrat präsentiert, sollten sie Evs Schicksal in der Firma besiegeln.
Zu dieser Zeit war Ev damit beschäftigt, Twitter komplett umzugestalten und ihm eine dringend benötigte Auffrischung zu geben. Ev suchte sich die zuverlässigsten Mitarbeiter zusammen und richtete in einem der Konferenzräume einen »Gefechtsstand« ein, um in intensiven Sitzungen Anregungen, Ideen und Konzepte zu sammeln. Tagein, tagaus hockte er mit seiner kleinen Gruppe von Designern und Programmieren beisammen, die Wände vollgekleistert mit Bildern und Vorschlägen, und gab dem Internetauftritt von Twitter ein neues Gesicht.
Ev tauchte komplett in die Neugestaltung der Webseite ein und vernachlässigte darüber die alltäglichen Pflichten eines Vorstandschefs. Währenddessen bot ein paar Blocks von den Twitter-Büros entfernt Jack leitenden Mitarbeitern, die nicht in das Projekt einbezogen waren, einen freundlichen Ratschlag: Sprechen Sie doch mit dem Verwaltungsrat, reden Sie mit Fenton, erzählen Sie es Fred und Bijan. Sagen Sie allen, dass Ev seinen Job nicht richtig macht. Berichten Sie von Ihren Sorgen um Twitters Zukunft. Jack sorgte sogar dafür, dass der wachsende Unmut auch Evs Coach, Bill Campbell, zu Ohren kam.
Es war zwar nicht üblich, dass der externe Betreuer eines Vorstandschefs an Verwaltungsratssitzungen teilnahm, doch Campbell kreuzte häufig unangemeldet auf und mischte sich in die Leitung des Unternehmens ein. Zwar mutete vielen das Spektakel befremdlich an, doch sie hielten sich angesichts des legendären Rufs von Campbell lieber bedeckt.
Nachdem nun das Getuschel auch Campbell zu Ohren
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