Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Stone«, schrieb er am 7. Oktober 2003 in einem Blogpost unter der Überschrift »Google übernimmt Genius Labs« auf seiner persönlichen Internetseite. »Die finanziellen Bedingungen des Geschäfts wurden nicht veröffentlicht.« Zum Schluss seiner Pressemitteilung erlaubte er sich einen Scherz auf Kosten seines neuen Arbeitgebers: »Googles kostenloses Snack- und Kaffeeangebot hat die Branchenelite zu Lobeshymnen veranlasst, und die innovative Suchmaschinentechnik ist ebenfalls ganz nett.«
Bei der Suchmaschine schob man ihn mit schöner Regelmäßigkeit von einem Vorgesetzten zum nächsten. Häufig fühlte Biz sich ebenso wie Ev, Goldman und das restliche Blogger-Team fehl am Platz in diesem Unternehmen mit seiner Mentalität knallharter Geschäftstüchtigkeit. Die Blogger-Außenseiter aßen gemeinsam in der Kantine wie ein Grüppchen unbeliebter Schüler, tranken während der wöchentlichen Freitagsansprachen der Firma in ihrer Ecke Kaffee und rissen Witze auf Kosten der prüden Programmierer.
Ev war anders als die herkömmlichen Vorgesetzten, unter denen Biz bislang gearbeitet hatte. Wenn Ev Mitarbeiter einstellte, wartete er nicht ab, bevor er sie in vertrauliche Informationen einweihte oder mit wichtigen Aufgaben betraute, sondern vertraute ihnen von Anfang an. Es erfüllte Biz mit Stolz und Selbstvertrauen, dass Ev ihn so behandelte, und schon bald entwickelte sich zwischen beiden eine engere Beziehung. Durch ihren gemeinsamen Sinn für Komikwurden Biz, Ev und Goldman bald beste Freunde.
Als Ev Google 2004 verließ, fühlte Biz sich äußerst unwohl unter seinen neuen Vorgesetzten bei Google, die ihm nicht vertrauten und ihn nicht mit Respekt behandelten. Also beschloss er 2005, dass es ihm reichte und er Ev in sein neues Projekt folgen wollte. Bei diesem Schritt gab es allerdings einen heiklen Punkt: Er würde Millionen Dollar auf dem glänzenden Google-Tisch zurücklassen müssen, um eine neue Stelle bei dem schäbigen Podcast-Start-up Odeo anzunehmen und wieder mit Ev und seinem neuen, schrulligen Partner Noah zusammenzuarbeiten.
»Wir sind nicht nach Kalifornien gekommen, damit ich bei Google arbeiten kann«, erklärte Biz Livia, als sie über die Millionen sprachen, auf die sie verzichten würden. »Wir sind hergekommen, damit ich mit Ev zusammenarbeiten kann.«
Angesichts der engen Freundschaft, die sich in den vorangegangenen zwei Jahren entwickelt hatte, fiel die Entscheidung leicht. Am nächsten Tag ging Biz zur Arbeit und tauschte seinen weißen Google-Firmenausweis und das damit einhergehende Geld gegen die Freiheit eines Start-up-Lebens ein.
Als er am 6. September 2005 bei Odeo anfing, merkte er schnell, dass die Veränderung erheblich größer war, als er erwartet hatte. Statt der unbegrenzten kostenlosen Mahlzeiten, Snacks, Busse zur Arbeit und unerschöpflichen sonstigen Vergünstigungen, die es bei Google gab, hatte er nun ein Büro, in dessen Treppenhaus Obdachlose schliefen, einen Weg zur Arbeit, den er nur zu Fuß kostenlos zurücklegen konnte, und höchstens ein kostenloses Bier nach der Arbeit, wenn Ev ihn dazu einlud.
Der Unterschied in der Unternehmenskultur aber ließ sich nicht ermessen. Anstelle der sterilen roboterhaften Kultur bei Google mit den allwissenden Ingenieuren und herrischen Bossen traten nun tätowierte Hacker mit Laisser-faire-Mentalität. Die Odeo-Mitarbeiter waren alle Studienabbrecher von mittelmäßigen Colleges und hatten für die Googlers dieser Welt, die sich ständig mit ihren Standford- und MIT-Abschlüssen brüsteten, nichts als Verachtungübrig.
Bei der Arbeit mit seinem besten Freund und ehemaligen Boss, inmitten von Obdachlosen und Chaos, Schmutz und Dreck fühlte Biz sich voll und ganz zu Hause.
Kapitel II
#Noah
Unruhige See
Es war Ende 2005. Als das Boot den dichten Nebel hinter sich ließ, bewunderten die Odeo-Mitarbeiter die Aussicht. In der Ferne leuchtete die Golden Gate Bridge orange, und die Segel zerrten im Wind klirrend am Mast.
»Wir segeln in die Tiburon Marina«, sagte Ariel Poler, einer der Odeo-Investoren, und steuerte das Boot durch die salzige Luft über die San Francisco Bay. »Sam’s hat offen. Hervorragend«, fügte er hinzu und blinzelte in die Ferne.
Noah filmte hyperaktiv seine Kollegen und interviewte sie für ein weiteres kurzes Video, das er später in sein Blog einstellen würde. Er hielt den Leuten die Kamera vor die Nase wie ein Kind, das freudig einen Lutscher präsentiert. »Erzähl uns davon«, forderte Noah
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