Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
über das Boot wie ein unkontrollierbarer Pingpongball, um alle anderen zu filmen.
Jack stand allein in einer Jeansuniform – dunkle Jeans und passende Jeansjacke – am Bug und hing Tagträumen nach, wobei sein wirres dunkles Haar im Wind flatterte. Er segelte gern, und die Tagestour erinnerte ihn an ein Ziel, das er sich früher einmal gesetzt hatte: sich bald ein Boot zu kaufen und allein nach Hawaii zu segeln, eine Fahrt von 2
400 Meilen, die nach seinen Recherchen etwa einen Monat dauern würde.
Als Ariels Boot langsam an die Anlegestelle glitt, kletterte die ganze Gruppe auf die groben Holzplanken, streckte die Beine und wirkte wie eine Riesenraupe, die aus einem Nickerchen erwachte.
Für die bunt zusammengewürfelte Odeo-Belegschaft, in der sich für kurze Zeit – zumindest unter manchen – enge Freundschaften entwickelt hatten, war es zwar die erste Bootsfahrt, aber durchaus nicht der erste gemeinsame Ausflug.
Bei solchen Gelegenheiten diente Alkohol meist als Schmiermittel für das Geplauder am Nachmittag. Bald wippten sie auf den weißen Plastikstühlen vor Sam’s Anchor Café, wo Möwen sich auf ihr Essen stürzten. Sie tranken Wein, erzählten sich Witze, die nur Computerfreaks verstanden, und lachten übereinander.
Jack saß still dabei und hörte zu. Eigentlich redete er nie viel. Wenn er überhaupt etwas sagte, waren es einsilbige Bemerkungen, als müsse er rationieren, wie viel er an einem Tag laut sprechen dürfe. Es war auch nicht klar, ob ihm jemand zugehört hätte. Schließlich war er der jüngste Mitarbeiter bei Odeo. Der Leichtmatrose an Bord, ein einfacher Soldat in der Truppe, ein freier Mitarbeiter und Programmierer bei einem Start-up. Auch wenn Ev nur selten mit Jack sprach, bezeichnete er ihn doch wegen seiner verrückten Einfälle als »den Mann mit den Ideen«. Manche waren völlig abwegig, wie sein Vorschlag, eine Start-up-Firma zu gründen, die es Programmierern erlauben würde, auf unkonventionelle Weise Teams zu bilden und zusammenzuarbeiten: Während jeweils einer Programme schrieb, sollte der andere ihm oder ihr die Schultern massieren, und anschließend würden sie die Rollen tauschen.
Manchmal erzählte Jack seinen Kollegen von neuen Filmen, Büchern oder Alben, die sie sich anschauen, lesen oder anhören sollten, oder von einer bevorstehenden Kunstausstellung oder Party, die sie alle besuchen könnten, und half damit, Freundschaften zwischen seinen Kollegen zu stiften.
Aber meist saß Jack nur still und gedankenversunken da. Seine Tagträumerei endete jedoch unweigerlich, sobald die Gespräche der Computerfreaks sich bei Bier oder Wein ihrem Hauptthema zuwandten: der Arbeit. Das kam häufig vor. Das gemeinsame Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Trinken und Tanzen war oft von Geplauder über die Arbeit durchzogen.
Gerade in diesen Gesprächen – bei denen Noah, Ev, Biz, Rabble, Jack und einige andere Odeo-Leute über Vergangenheit und Zukunft plauderten – braute sich etwas zusammen, was die richtungslose Podcast-Firma in ein Unternehmen verwandeln sollte, das letztlich die Welt und alle verändern würde, die an diesem Tag in Sam’s Anchor Café zusammensaßen.
Gelegentlich berichteten Ev und Biz von ihrer Zeit bei Blogger, als Nutzer sich über den Dienst Neuigkeiten mitteilten. Geschichten erzählten. Die Medien aufmischten.
Bei einem dieser gemeinsamen Ausflüge erzählten Rabble und Blaine Anekdoten aus ihren Hackerzeiten, als sie Demonstranten gegen Krieg und Regierung per Handy geholfen hatten, der Polizei zu entgehen. Noah sprach über Piratensender und Jack über seine Zeit als Fahrradkurier.
Andere unterhielten sich über Konkurrenten, unter anderem über Dodgeball, einen ortsbezogenen SMS-Dienst, der in New York einige Zugkraft entwickelte.
Jack hörte zu, verarbeitete die besprochenen Ideen und saß, wie üblich, schweigend da. Doch alles das sollte sich bald ändern: In der folgenden Woche sollte ein neuer Mitarbeiter bei Odeo anfangen.
Ein Mädchen.
»Ach, das ist Crystal«, erfuhr Jack, als er sich nach der Frau im Büro erkundigte. »Da läuft nichts, sie hat einen Freund.« Aber Jack hatte sich auf Anhieb in sie verguckt, was durchaus verständlich war. Crystal hatte glattes schwarzes Haar, dunkle freundliche Augen und ein Lächeln, das den Verkehr zum Erliegen bringen konnte. Durch ihre zierliche Gestalt wirkte sie wie eine Elfe aus einem Märchen.
In Crystals erster Arbeitswoche bei Odeo fand Jack unzählige Vorwände, um mit ihr zu
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