Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
sprechen. Nervös fingerte er mit irgendetwas auf ihrem Schreibtisch herum, starrte sie beim Mittagessen an und spielte verlegen mit seinem Nasenring. Schließlich brachte er sogar den Mut auf, sie zu fragen, welche Musik sie gerade über Kopfhörer hörte. Sehr bald kamen sie ins Gespräch über die Bands, die ihnen beiden gefielen, und Crystal fragte ihn, ob er Lust habe, mit ihr und einigen Freunden ein Konzert zu besuchen.
»Ja, gern«, antwortete Jack aufgeregt und wandte den Blick nervös von ihr ab. »Ich rufe dich später an, dann können wir ausmachen, wo wir uns treffen.«
»Anrufen?«, fragte Crystal verdutzt. »Eigentlich benutze ich das Telefon kaum. Kannst du mir nicht einfach eine SMS schicken?«
»Ähm, was ist eine SMS?«, fragte Jack etwas verlegen.
»Ähm, eine Textnachricht, halloooo? Hast du noch nie eine SMS verschickt?«
Heutzutage mag ein solches Gespräch wirken, als würde man jemanden fragen, ob er noch nie etwas von Internet, Autos oder dem riesigen Feuerball am Himmel namens Sonne gehört habe. Aber 2005 waren Textnachrichten in Amerika noch eine relativ ausgefallene Kommunikationsform, auch wenn sie in anderen Ländern und bei jungen Mädchen in den USA schon recht verbreitet waren.
»Nein«, antwortete Jack ernst. »Davon habe ich noch nie gehört. Was ist das?«
»Komm, ich zeig’s dir.« Nervös stand er da, während Crystal ihm vorführte, wie man von einem Handy mit winzigem Schwarz-Weiß-Display eine SMS verschickte, eine Kommunikationsform, die bis dahin völlig an Jack vorbeigegangen war, sich aber ausgebreitet hatte wie eine Epidemie, die nur junge Frauen mit Handys befiel.
Damals war Jack ein stiller Programmierer mit Strubbelkopf und Angst vor persönlichen Gesprächen, der keine Gelegenheit hatte,mit sonderlich vielen Mädchen in Kontakt zu kommen, die über SMS kommunizierten. Bis er Crystal traf.
Obwohl sie ihm sagte, dass sie einen Freund hatte, war Jack völlig besessen von ihr. Als er erfuhr, dass sie gern Obstsaft trank, tauchte er um die Mittagszeit mit einer Flasche Saft auf und stellte sie zu ihrer Verwunderung auf ihren Schreibtisch. Da er darauf keine sonderliche Reaktion erhielt, versuchte er es mit hängendem Kopf mit einer seiner ureigenen Form der Avancen: Er faltete einen perfekten Origami-Kranich.
Diesen langhalsigen, langschwänzigen Vogel hatte er virtuos fertigen gelernt, als er beschlossen hatte, einer Freundin tausend Exemplare zur Hochzeit zu schenken. Sorgfältig hatte er jeden einzelnen aus Papier gefaltet, bis er diese Kunst so perfekt beherrschte, dass er mit geschlossenen Augen aus dem Gedächtnis Kraniche basteln konnte. Ein solches Geschenk fand er nun Crystals würdig.
Eines Morgens kam er schon früh ins Büro und stellte einen Papierkranich auf ihre Tastatur. Schüchtern setzte er sich an seinen Schreibtisch und tat, als ob er arbeitete, als sie mit ihrer Tasse Kaffee hereinkam und ein kleiner Papiervogel sie sehnsüchtig von ihrer Computertastatur aus anschmachtete. Crystal stellte den Kranich lächelnd beiseite und machte sich an ihre Arbeit. Am nächsten Tag bekam sie wieder einen Kranich und ebenso am Tag darauf, bis sie Jacks unermüdliche Annäherungsversuche schließlich leid war, zumal sie einen Freund hatte.
»Du brauchst mir keinen Saft zu holen«, erklärte sie Jack, nachdem sie zu seinem Schreibtisch gestürmt war, um ihn daran zu erinnern, dass sie in einer festen Beziehung war. »Und es ist wirklich süß von dir, dass du die Kraniche auf meine Tastatur stellst, aber jetzt solltest du damit aufhören.«
»Hast du gesehen, auf welche Buchstaben ich sie gestellt habe?«, fragte er aufgeregt, ohne auf ihre Aufforderung zu achten, dass er ihre Grenzen respektieren solle. Ihr war nicht aufgefallen, dass die Kraniche jeweils auf unterschiedlichen Buchstaben gestanden hatten, die letztlich ihren Namen ergeben sollten. »Nein!«, antwortetesie verärgert und machte auf dem Absatz kehrt. Aber er bedrängte sie weiter und war fest überzeugt, dass irgendwann etwas mit Crystal laufen würde.
Bei Freundschaften mit seinen Kollegen hatte er mehr Erfolg.
Bei jedem geselligen Abend bildeten sich Grüppchen wie bei einem seltsamen chemischen Gemisch, dessen Bestandteile sich trennten und wieder verbanden. An einem Ende des Spektrums waren Blaine und Rabble, die an ihrer anarchistischen Rundum-Antihaltung festhielten. Am andere Ende waren Ev und Biz, die Experten für Dinnerpartys, die gern einen ruhigen Abend beim Wein an einem
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