Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
immer noch über seine Zukunft nach. Jetzt, wo eine mögliche Mitarbeit bei Facebook vorerst auf Eis lag, hatte er keine Ahnung, was als Nächstes kommen würde. Nur über eins war er sich sicher: Er würde garantiert nicht in die Fußstapfen jenes anderen Mitgründers treten, der Twitter vor ihm verlassen hatte.
Seit seinem Rauswurf aus der Firma war Noah in der Versenkung verschwunden, tauchte nicht mehr auf Partys, Konferenzen oder in Bars auf – und keinem schien es aufgefallen zu sein.
Vor seinem Abtauchen hatte Noah Jack zweimal per E-Mail um ein Gespräch gebeten, aber Jack hatte nie geantwortet. Damals hatte er Wichtigeres zu tun gehabt, dann war Jack selbst aus der Geschäftsleitung entfernt worden.
Schließlich, Ende 2008, fasste Noah den Entschluss, es bei Ev zu versuchen. Obwohl einst unzertrennliche Freunde, hatten sie seit dem South by Southwest Award ein Jahr zuvor kein Wort mehr miteinander gewechselt. Ev war einverstanden, sich mit ihm in der neuen Twitter-Zentrale an der Bryant Street zu treffen. Als Noah aus dem Fahrstuhl trat und durch die neue Eingangstür schritt, betrat er ein anderes Unternehmen. Dutzende von Programmierern wirbelten umher, die Wände zierten schicke Wandgrafiken, geräumige, loftartige Büroräume wurden von großen Glasfenstern erhellt, unter denen draußen leise der Verkehr dahinrauschte.
An diesem speziellen Morgen waren so viele Leute in Besprechungen, dass keiner der Konferenzräume frei war, und so setzten sich Ev und Noah auf zwei graue Sofas im komfortablen Empfangsbereich. Genau an diesem Ort hatte einige Wochen zuvor Jack gestanden und den Mitarbeitern sein Ausscheiden verkündet. Niemand der Twitter-Leute blieb stehen, um Noah zu begrüßen, schließlich wussten die meisten Mitarbeiter gar nicht, wer er war. Nach kurzem Plaudern kam Noah ohne Umschweife auf den Punkt. »Ich habe das Gefühl, dass man mich aus der Geschichte getilgt hat«, beklagte er sich. »An der Entwicklung von Twitter hatte ich einen ziemlichen Anteil. Ich will in der Geschichte wenigstens erwähnt werden.«
Noah hatte sich durch den Gang der Ereignisse wiederholt zurückgesetzt gefühlt und nun das Bedürfnis, mit seinen Mitgründern zu sprechen. So sehr er sich in den vergangenen beiden Jahren auch bemüht hatte, seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuzuwenden und neue Start-ups zu gründen, standen die meisten seiner Ideen, so brillant sie auch sein mochten, doch im Schatten der Vergangenheit. Es war nicht der Mangel an Fähigkeiten oder Kreativität oder Geld – er hatte mit dem Verkauf von Odeo an Ev mehrere Hunderttausend Dollar verdient –, was ihm so schwer im Magen lag; es war das Gefühl, von seinen Freunden und Mitarbeitern betrogen worden zu sein. Nachdem die Beziehung zu Jack in die Brüche gegangen war, verspürte Ev ein immer größeres Unbehagen im Umgang mit Noah, allerdings verriet er ihm auch jetzt nicht, dass Jack die wesentliche Triebkraft hinter Noahs Rauswurf gewesen war. Ev hatte Noah einen kleinen Posten aus seinen persönlichen Anteilen an dem Unternehmen angeboten – eine Geste, die den Schlag gedämpft, Noah aber nicht über seine Traurigkeit hinweggeholfen hatte.
Ev war häufig großzügig mit seinem Geld. In den frühen Tagen von Twitter war Jeremys Haus in West Oakland ausgeraubt worden; Diebe hatten die Eingangstür eingetreten, die Computer der Familie, wichtige Dokumente und die Sparschweine der vier und sieben Jahre alten Söhne mit beinahe 200 Dollar Kleingeld mitgehen lassen. Als Ev davon erfuhr, nahm er Jeremy im Büro still beiseite,überreichte ihm seine persönliche Kreditkarte und forderte ihn auf, alles zu ersetzen, was gestohlen worden war, ohne zu erwarten, irgendetwas zurückzuerhalten.
Ev hatte auch Biz unter die Arme gegriffen, als ihm das Geld ausgegangen war, und ihm einen Scheck über 50
000 Dollar ausgestellt, damit er seine Rechnungen und Hypothekenzahlungen begleichen konnte.
Aber Geld konnte Noah nicht helfen. Als er zu seiner Unterredung mit Ev auf dem Sofa Platz nahm, war Twitter praktisch allgegenwärtig geworden, was ihn nicht nur mit süßem Vaterstolz, sondern mehr noch mit Bitterkeit erfüllte. Es gab für ihn kein Entkommen: Nicht nur war er von den anderen Erfindern verstoßen worden, nun wurde er auch noch auf Schritt und Tritt an den Erfolg ihres gemeinsamen Werks erinnert – und an seine Niederlage.
Im Silicon Valley, wo es den Leuten unsäglich schwer fällt, über etwas anderes zu sprechen als über
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