Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Bedrohung dar, Twitter abzuwürgen«. 3. Es bietet sich die Chance, für eine große Persönlichkeit zu arbeiten. (»Ich nutze es [Facebook] nicht. Und ich hege viele Bedenken hinsichtlich seiner Leute und wie sie ihr Geschäft betreiben.«)
Aus Evs Sicht verfolgten Blogger, Odeo und nun Twitter einen weit höheren Zweck, als bloß einen riesigen Batzen Geld zu machen. Diese Start-ups, an deren Aufbau er mitgewirkt hatte, dienten allesamt dazu, den Menschen auf der ganzen Welt eine Stimme zu geben und den Ohnmächtigen zu helfen, sich gegen Machtmissbrauch aufzulehnen. Twitter, nutzbar via Textmitteilung über jedes Smartphone und jeden Webbrowser, war dafür wie geschaffen, davon war er überzeugt. Sein Eindruck war, dass es bei Facebook dagegen eher darum ging, das Unternehmen in einen Goldesel zu verwandeln.
Jack fand Evs Argumente gegen den Verkauf von Twitter an Facebook nicht ganz überzeugend und schrieb in seiner Antwort auf die E-Mail: »Wenn die Zahlen stimmen, steckt in beiden Wegen eine Erfolgsgeschichte.«
Doch Jacks Meinung fiel nicht mehr ins Gewicht. Er war auf Evs Position gerückt und nun ein »stiller«, machtloser Verwaltungsratschef, der keinen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen konnte, ein Trostpreis, den Ev ihm zugedacht hatte, damit er trotz seiner Entlassung das Gesicht wahren konnte.
Die Leute, die im Verwaltungsrat nun wirklich das Sagen hatten, stimmten am 30. Oktober nach vertraulichen Unterredungen gegen einen Verkauf an Facebook. Später an jenem Abend rief Ev Zuckerberg an, um ihm mitzuteilen, dass er sich »von dem Angebot geehrt« fühle, dass Twitter jedoch unabhängig bleiben wolle.
Das Gespräch endete freundschaftlich, doch Zuckerberg verlor nicht gern. Statt Twitter zu kaufen, richtete sich sein neuer Schlachtplan nun darauf, Jack abzuwerben. Wenn einer der Gründer der Firma zu ihrem größten Konkurrenten wechselte, so die Überlegung, wäre das ein Zeichen für mangelndes Vertrauen in Twitter. Wenn es dazu käme, würde es in der Öffentlichkeit als Rache an denjenigen gesehen, die ihn rausgeworfen hatten, oder als Eskalation im Kampf zwischen Jack und Ev um die Ausrichtung des Unternehmens. Deshalb gingen die Gespräche zwischen den beiden weiter.
Zuckerberg bat Jack zu einem Treffen mit Chris Cox, dem Produktleiter von Facebook, in Peet’s Coffee in Palo Alto, wo die beiden eine Weile plauderten und Jack seine Vorstellungen von sozialen Netzwerken ausbreitete.
Einige Tage darauf führten Jack und Zuckerberg ein Telefonat.
»Also, was meinen Sie?«, fragte Zuckerberg. »Ich glaube, Sie würden hervorragend ins Unternehmen passen.«
»Was wäre meine Aufgabe? Mir wäre die Leitung der Produktabteilung recht.«
Das jedoch kam, das wusste auch Jack, nicht infrage, denn diese Position bekleidete ja bereits Chris Cox. Auch alle anderen hochrangigen Posten, die Jack hätte übernehmen können, waren bereits vergeben. »Warum kommen Sie nicht einfach zu uns und wir finden eine Aufgabe für Sie?«, schlug Zuckerberg vor.
Jack saß da, den Hörer ans Ohr gepresst, und dachte über Zuckerbergs Angebot nach. In den Medien wusste zwar niemand, dass Jack bei Twitter gefeuert worden war – laut offizieller Version handelte es sich um einen »Rollentausch« zwischen Twitters Vorstands- und Verwaltungsratsvorsitz –, aber die Ablösung hatte breiten Widerhall in der Presse gefunden, und Jack war bewusst, dass es hohe Wellen schlagen würde, wenn er nun den Sprung zu Facebook wagte. Ein so öffentlichkeitswirksamer Schritt wäre ein zweischneidiges Schwert. Gewiss, er würde sich auf diese Weise an Ev, Fred und Bijan dafür rächen können, dass sie ihn aus der Geschäftsführung gedrängt hatten, schließlich wäre es peinlich für sie, wenn der Mitgründer von Twitter zum größten Konkurrenten überliefe. Aber er wusste auch, dass sein Image dadurch einen Knacks bekäme. Eine Schlagzeile wie »Twitter-Mitgründer Jack Dorsey wechselt als Produktvorstand zu Facebook« hätte Jack als Triumph verbuchen können; wenn es dagegen hieße: »Twitter-Mitgründer Jack Dorsey geht ohne klangvollen Verantwortungsbereich zu Facebook«, wäre er in seiner Laufbahn zehn Stufen zurückgefallen.
»Bleiben wir einfach im Gespräch und schauen mal, ob wir die passende Position für mich finden«, antwortete Jack. »Ich muss darüber nachdenken, und wenn ich da einsteige, will ich das Richtige tun.«
Kampf oder Flucht
Das Jahr 2009 rückte schon in Reichweite, da grübelte Jack
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