Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Mitgliedern des Präsidentenstabs, die Cohen und alle anderen am Twitter-Vorfall Beteiligten am liebsten mit Pauken und Trompeten gefeuert hätten, entgegen, dass ihre Leute nur ihre Arbeit getan hätten. Schließlich sei das alles auch Teil eines kulturellen Wandels, zu dem Twitter wesentlich dazugehöre. Am nächsten Tag ging Clinton bei einer Frühbesprechung zu Cohens Platz, warf die New York Times auf seinen Tisch und zeigte mit strenger Miene auf den Artikel. »Das ist klasse«, sagte sie, während sie mit dem Finger auf die Zeitung pochte. »Das ist genau das, was wir tun sollten.«
Obwohl er nicht viel damit zu tun hatte, kam Jack nicht so glimpflich davon. Der Artikel der New York Times hatte ihn als Verantwortlichen für die Aufschiebung der Wartungsarbeiten genannt, obwohl er bei Twitter keinen Posten mehr bekleidete. Dieses Mal bekam Jack die Lorbeeren zwar ganz ohne eigenes Zutun, doch das war Ev, Biz und Goldman egal. Sie waren nicht amüsiert.
Biz und Ev hatten tagelang Interviewanfragen über die Lage im Iran abgelehnt und Journalisten erklärt, dass Twitter es nicht für »angemessen« halte, sich in eine so instabile politische Situation einzumischen, insbesondere angesichts der Angriffe von Sicherheitskräften auf Demonstranten.
Nun war der Eindruck entstanden, als hätte Twitter in einem internationalen Propagandakrieg Partei ergriffen und sich auf eine Seite des moralischen und diplomatischen Konflikts geschlagen – eine Position, die es gerade vermeiden wollte.
Zufällig Milliardär
»Ich wette, er versucht uns zu kaufen«, sagte Goldman zu Alexander Macgillivray, seit kurzem der neue Chefsyndikus von Twitter. Zusammen mit Ev, der an einem Sandwich kaute und ihrer Unterhaltung lauschte, hockten sie in Charlie’s Restaurant in Palo Alto.
»Bestimmt nicht«, sagte Macgillivray. Er trug den Spitznamen Amac, was sich so anhörte, als riefe jemand Ey, Mac! »Nicht nach dem, was er gerade getan hat. Auf keinen Fall werden die versuchen, uns zu übernehmen.«
»Ich bin derselben Meinung wie Amac«, warf Ev ein. »Komm schon, das wäre doch total daneben.«
»Nein, er wird es tun«, beharrte Goldman. »Um was wollen wir wetten, Amac? Los, lass uns wetten!«
Goldman, Ev und Amac kannten sich seit 2003, als Google Blogger übernommen hatte und Amac als stellvertretender Chefsyndikus von Google der neue Ansprechpartner des Blogger-Teams geworden war. Bei Twitter ging es für Amac gleich in der ersten Woche voll zur Sache.
»Ich hab’s nicht so mit Wetten«, erwiderte der jungenhaft wirkende 36-Jährige.
»Okay, dann um die Ehre«, insistierte Goldman und streckte seine Hand über den Tisch. Ev war von ihrem Geplänkel amüsiert.
»Na gut«, antwortete Amac und musterte Goldman durch seine Nickelbrille. »Dann um die Ehre. Nie im Leben versucht der uns zu kaufen!«
»Wir sollten aufbrechen«, mahnte Ev mit einem Blick auf seine Uhr.
Ein paar Minuten später saßen sie wieder in Amacs klapprigem Honda Civic, Baujahr 1985. Ev wies vom Beifahrersitz aus mit dem Smartphone als Navi die Richtung. Kurz darauf starrte Goldman aus dem Seitenfenster auf ein gesichtsloses Haus. Sie waren am Ziel. » Der Bursche soll sieben Milliarden Dollar schwer sein?«, fragte er sarkastisch. Ein paar Häuser weiter fanden sie einen Parkplatz.
Als sie sich dem Haus näherten, fiel ihnen auf, wie klein es war. Die Außenfarbe wirkte von Weitem wie Beige, aber von Nahem sah man, dass Teile der Wand mit unterschiedlichen, nicht zusammenpassenden Schattierungen übermalt worden waren, einige dunkler, andere heller. Der kleine Vorgarten war mit welken, bräunlichen Grasflecken übersät. Ein paar dürre Pflanzen wiegten sich sachte im Wind.
Sie quetschten sich an einem bescheidenen Honda Acura vorbei, der in der Einfahrt parkte, und schritten zur Eingangstür. Ev klopfte und wandte sich zu Amac und Goldman, denen die Neugier im Gesicht geschrieben stand. Nur Augenblicke später öffnete sich die Tür und vor ihnen stand Mark Zuckerberg.
»Hallo, Leute«, sagte Zuckerberg. Er trug Jeans, T-Shirt und sein Markenzeichen, blaue Adiletten. »Immer reinspaziert.«
Zuckerberg sprach in knappen Sätzen. »Wir warten noch auf ein paar Leute. Ich führe Sie mal herum«, bot er an und eskortierte sie durch den Flur des Hauses, in dem er mit seiner Freundin Priscilla Chan wohnte. »Noch mal Danke fürs Kommen. Ich bin froh, dass Sie zu mir nach Hause gekommen sind. Wissen Sie, ich wollte nicht, dass uns jemand auf dem
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