Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
Vertrauen in seinen unkonventionellen Sohn und willigte ein, das Unternehmen zu finanzieren. Nach beinahe einem Jahr war das Geld seines Vaters komplett aufgezehrt, einige seiner Freundschaften zerstört, seine Beziehung zu seinem Bruder in die Brüche gegangen.
Nach diesem Scheitern saß Ev am selben Tisch, an dem er sich einst mit seinen Algebra- und Geschichtshausaufgaben abgemüht hatte, und ging das verflossene Jahr in Gedanken noch einmal durch. Er atmete tief durch, nahm einen Stift und fing an, auf einem Blatt Papier eine Liste zu schreiben.
Eins, zwei, drei, vier, fünf … Er hielt inne, als er bei zehn anlangte. Dann machte er weiter. Schließlich hatte er 34 Einträge beisammen.
Es handelte sich um eine Sammlung der Geschäftsideen, auf die er in seiner Zeit als Chef von Plexus gekommen war. Aber es war keine gute Liste, nur eine Ansammlung von 34 Hätschelkindern, Projekte, die er gleichzeitig begonnen, aber nie beendet hatte. Er wusste, dass die Firma nicht aus Mangel an Arbeit gescheitert war. Ganz im Gegenteil. Sie war Pleite gegangen, weil Ev jede Woche seinen Freunden und Angestellten eine neue Idee, ein neues Vorhaben aufgetischt hatte. Als sich Plexus endlich auf ein einzelnes Projekt konzentrierte, konnte Ev sich nicht zu einer Entscheidung über die endgültige Markteinführung durchringen. Er war wie ein Geologe gewesen, der nach Öl sucht und die Bohrstelle wechselt, bevor die Arbeiter überhaupt mit ersten Bohrung begonnen haben.
Schließlich hatten sich seine Projekte aufgetürmt und waren unter ihrer eigenen Last zusammengebrochen. Das Schuldgefühl, das Geld seines Vaters vergeudet zu haben – Ersparnisse, die durch mühselige Feldarbeit erschuftet worden waren –, machte die Niederlage nur umso bitterer.
Er schaute auf die Liste und fasste zwei Vorsätze: Erstens würde er seinem Vater sein Geld zurückzahlen; zweitens würde er, falls er jemals die Chance bekäme, eine weitere Firma zu führen, niemals mehr den Fokus aus den Augen verlieren. Er würde von nun an immer klare Entscheidungen treffen und sich daran halten.
Den ersten Vorsatz konnte er bald erfüllen: Ev zahlte seinem Vater sein Geld mit weit mehr als Zinsen und Zinseszinsen zurück. Die Einhaltung des zweiten Vorsatzes war schon schwieriger, schließlich war Ideenreichtum Evs große Stärke.
Nun, im Jahr 2009, gab Ev an der Spitze von Twitter sein Bestes, diesen Fehler zu vermeiden und das Unternehmen inmitten der permanenten Aufmerksamkeit, die es als Kommunikationskanal von Firmen und Protestbewegungen, von Prominenten und Politikern erhielt, mit ruhiger Hand zu führen und die neueste Finanzierungsrunde zu organisieren, die Twitter in eine ganz neue Liga katapultieren sollte.
Ev wollte bei der geplanten vierten Kapitalaufstockung ursprünglich 50 Millionen Dollar einsammeln, doch das Interesse der Risikoanleger an Twitter war dermaßen groß, dass er – unter Führung der New Yorker Finanziers Insight Venture Partners – 100 Millionen Dollar zusammenbekam, was die Bewertung des Unternehmens zum ersten Mal auf 1 Milliarde Dollar steigen ließ. Allerdings war die Ertragslage so trist wie eh und je: Twitter machte keinerlei Profit. Wie seinerzeit bei Plexus fing Evs Scheu vor endgültigen Entscheidungen an, Twitters Geschäftswachstum zu bremsen.
Anfang 2009 hatte der Verwaltungsrat auf Fentons Drängen Ev ermutigt, sich einen »Mentor« zu suchen, der ihm helfen sollte, einen stringenteren Führungsstil zu entwickeln. Fenton hatte sich für Bill Campbell stark gemacht, einen legendären Vorstands-Coach, der auch schon Steve Jobs und eine lange Liste weiterer Titanen betreut hatte. Aber zu seiner Überraschung erhielt er sowohl von Ev wie von Campbell eine Absage. »Twitter? Kein Interesse«, antwortete Campbell auf Fentons Anfrage, und Ev teilte ihm mit, keinen Coach zu brauchen.
Doch Fenton war nicht der Typ, der ein Nein gelten ließ. Alle paar Tage rief er Campbell an und steckte ihm Neuigkeiten aus der Firma. Als Campbell am Wochenende mit gewichtigen Leuten zum Angeln fuhr, befand sich unter ihnen auch der technikversessene Sohn eines Freundes, der unablässig twitterte, statt sich um Forellen zu scheren. Zurück im Silicon Valley war Campbell klar geworden, dass an Twitter mehr dran sein musste, als er gedacht hatte. Er teilte Fenton mit, dass er die Betreuung von Ev übernehmen würde.
»Campbell ist ein Glücksfall«, frohlockte Fenton in dem Bemühen, Ev zu einer Begegnung mit dem Coach zu
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