Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat (German Edition)
überreden. »Er hat Eric Schmidt betreut, Larry und Sergey und Steve Jobs. Er ist eine verdammte Legende.« Ev erklärte sich schließlich bereit, sich mit ihm zu treffen.
Campbell war im Silicon Valley eine Institution. Er hatte als Sportskanone eine Eliteuniversität besucht und wurde von Freunden und Bekannten nur »der Trainer« genannt. Auch mit Ende 60 hatte er noch eine stattliche Figur. Seine Scheitelfrisur mit welligem weißem Haar hatte sich in Jahrzehnten nicht verändert.
Als ihr erstes Zusammentreffen nahte, erwartete Ev, mittlerweile 37, mit Spannung, was er von dieser Legende, dem »Trainer«, wohl würde lernen können.
Er saß auf einer Couch in Campbells Büro, in der einen Hand einen Notizblock, in der anderen einen Stift, bereit, Campbells Ratschläge mitzuschreiben. Fenton beobachtete die beiden gespannt. Campbell lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlüpfte in seine Rolle: Er fing an zu coachen. Er schimpfte, schrie, schwadronierte, warf mit Einzeilern um sich und feuerte Ev an, als ginge es darum, mit einem Ball über die Ziellinie zu stürmen. Dabei fluchteer wie ein Kesselflicker. Unablässig donnerte das Wort »Scheiße« wie ein Hammer auf einen Amboss, diente als Ausrufezeichen am Ende eines jeden Satzes. Scheiße dies, Scheiße das. Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Endlich bekam Ev ein Wort dazwischen und stellte seine erste Frage: »Was ist der schlimmste Fehler, um eine Firma in die Scheiße zu reiten?«
»Wenn der Chef seine Scheißfreunde einstellt!«, bellte Campbell ohne Atem zu holen und ließ eine zehnminütige Tirade darüber ab, warum Freundschaft und Geschäft nicht zusammengingen und nie vermengt werden dürften. Ev kritzelte auf seinem Notizblock.
Ev war von Campbell schwer beeindruckt. Sie gaben sich die Hand und kamen überein, sich einmal pro Woche zu treffen. Fenton jubilierte. »Das wird großartig!«, sagte Campbell und schlug Ev auf die Schulter. »Das wird scheißgeil!«
Fenton und der Verwaltungsrat hatten Ev unter anderem deshalb dazu gedrängt, sich einen Mentor zu nehmen, weil er darauf beharrte, bei Twitter seine Freunde einzustellen. Ev sah darin kein Problem. Die meisten seiner Freunde gehörten zu den wenigen Leuten, mit denen er sich über technische Fragen austauschen konnte, und häufig hatten sie perfekt in die Unternehmen gepasst, die er über die Jahre gegründet hatte. Erfolg war für ihn viel harte Arbeit gepaart mit etwas Glück, und er wollte die Menschen, die er kannte, daran teilhaben lassen. Er hatte seine Schwester, eine Köchin, als Küchenchefin von Twitter eingestellt und seiner Frau Sara die Gestaltung der Twitter-Büros übertragen. Zahlreiche Freunde von Google wurden bei Twitter als Programmierer oder Designer beschäftigt.
Was Ev zusätzlich dazu bewegte, war die Überzeugung, dass Freunde ihn nicht hintergehen würden.
Ev war durchaus gewillt, Campbells Rat zu folgen, allerdings hatte er noch einen Kumpel, den er einzustellen gedachte: seinen guten Freund Dick Costolo, den er Jahre zuvor bei Google kennengelernt hatte.
Dick war 45 und lebte mit seiner Frau Lorin und seinen beiden Kindern in Chicago. Er mochte nicht so jung sein und hip wirken wie die meisten anderen Technologiegründer, aber er hatte in der Branche einen Namen und war eng mit Ev befreundet.
Dick war in der Nähe von Detroit aufgewachsen und hatte an der Universität von Michigan Informatik studiert. Im ersten Semester des Hauptstudiums hatte er beschlossen, einen Schauspielkurs zu belegen, um eine Lücke in seinem Stundenplan zu füllen. Bei der Schauspielerei, so seine Überlegung, würden wohl kaum zusätzliche Hausarbeiten anfallen, sodass er die Abende mit seinen Computeraufgaben verbringen konnte. Doch nach der ersten Stunde war er Feuer und Flamme und belegte im folgenden Semester gleich wieder einen Schauspielkurs.
Es dauerte nicht lange, da ließ er die Informatik schleifen und verbrachte die Abende stattdessen als Stand-up-Comedian auf einer kleinen Bühne in Campusnähe. Dick machte zwar seinen Abschluss und erhielt auch eine Reihe von Stellenangeboten von großen IT-Firmen, doch wollte er lieber seinen neuen Traum verwirklichen, ein weltberühmter Schauspieler oder Komiker oder beides zu werden. Er packte seine Tasche und reiste nach Chicago, um in der dortigen Comedy-Szene zu reüssieren, bis er es irgendwann in Saturday Night Live schaffte oder gar seine eigene Show bekam.
Doch es kam anders.
Dick war zwar ein talentierter Komödiant, neben
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