Tybee Island
Der ach so perfekte Craig O’Neill war also gerade dabei, sie mitten auf der Straße stehen zu lassen. Kapierte er das denn nicht?
Craig verdrehte die Augen. Dann beugte er sich zu ihr herab. »Dann musst du eben auf der Veranda schlafen.« Er wandte sich um und umrundete das Auto.
Mit offenem Mund starrte sie ihm nach. Irgendwie hatte sie sich einen Navy SEAL netter vorgestellt. Sollten das nicht die Helden der Nation sein? Sie stampfte mit dem Fuß auf und drehte sich um. Anbetteln würde sie ihn sicher nicht, sie hier nicht einfach so zurückzulassen. Sollte ihn sein schlechtes Gewissen doch umbringen, wenn er herausfand, dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatte. Mit großen Schritten marschierte sie auf das Haus zu und versuchte dabei, möglichst elegant zu wirken.
Craig atmete auf, als er beobachtete, wie Jennifer Garnett auf das Haus zuschwankte. Endlich war er sie los. Warum zum Henker musste auch ausgerechnet Toms kleine Schwester beschließen, sich auf dieser Party zu besaufen? Und warum zum Henker war er überhaupt dorthin gegangen? Das Licht über der Eingangstür schaltete sich automatisch ein, als sich Jen dem Haus näherte. Sollten ihre Eltern tatsächlich nicht hier sein, würde sie sicher gleich den Schlüssel hervorkramen. Entweder aus ihrer eigenen Tasche oder aus irgendeinem Versteck.
Jennifer Garnett. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie um die sechzehn gewesen. Die kleine, nervtötende Schwester seines besten Freundes. Bereits damals hatte man erahnen können, dass sie als Erwachsene einmal eine Wucht sein würde und das war sie nun. Selbst als völlig Betrunkene. Allerdings schien sie heute genauso wenig beeindruckt von ihm zu sein wie damals. Er schloss die Augen und schüttelte lächelnd den Kopf. Hatte Tom ihm nicht erzählt, dass sie verlobt sei und bald heiraten wolle? Der Kerl auf der Party hatte allerdings nicht wie ihr Verlobter gewirkt. Vielleicht wollte sich die kleine Jen auch nur noch einmal so richtig austoben, bevor sie den Hafen der Ehe ansteuerte. Warum nicht , dachte er und zuckte mit den Schultern.
Craig riskierte einen letzten Blick zum Haus und erstarrte. Mit einem Satz sprang er aus dem Auto und rannte auf das Gebäude zu. Die drei Stufen zur Veranda nahm er mit einem Schritt. Auf dem Boden lag Jen. Selig schlafend.
»Jen«, rief er und rüttelte an ihrer Schulter. »Wach auf, du kannst hier nicht auf dem Boden schlafen.«
»Warum nicht?« Sie murmelte und drehte sich um.
Die Bretter der Veranda knarrten, als er sich über sie beugte. »Es ist zu kalt. Du erfrierst hier draußen.« Sie hatte ja auch praktisch nichts an. Vor allem aber war sie viel zu betrunken.
»Du hast selbst gesagt, ich soll auf der Veranda schlafen.«
Er stöhnte. Womit hatte er das verdient? Er rieb sich mit der Hand über die Stirn und dachte über seine Möglichkeiten nach. Sein Blick fiel auf die zahlreichen Blumentöpfe, die die Veranda zierten. Voller Optimismus hob er jeden einzelnen auf, aber nirgendwo fand er einen Schlüssel. Er seufzte und betrachtete erneut die schlafende Frau am Boden. Er hätte wirklich, wirklich einfach zu Hause bleiben sollen. Mit beiden Armen fasste er unter sie und hob sie hoch.
»Hey!« , protestierte sie, aber s s klang nur halbherzig.
Viel wog sie nicht. Da brachten die Hanteln, die er regelmäßig stemmte, mit Sicherheit mehr Gewicht auf die Waage. Trotzdem spürte er einen Stich in seinem Knie. Er trug sie zum Wagen und setzte sie auf dem Beifahrersitz ab. Schnell griff er nach dem Sicherheitsgurt, als sie zur Seite umzukippen drohte.
»Fährst du mich jetzt endlich zu meiner Freundin Mel?«
»Sieht so aus«, antwortete er und schlug die Beifahrertür zu. Mit einem leichten Hinken umrundete er den Wagen und setzte sich hinter das Steuer. »Wo wohnt deine Freundin?«, fragte er, nachdem er den Motor wieder gestartet hatte.
»Irgendwo im Osten.« Sie lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und hielt die Augen geschlossen.
»Geht das auch genauer?«
Sie runzelte die Stirn und schien angestrengt zu überlegen. »In der Nähe des Forsyth Park.«
»Bitte?« Wollte sie ihn verarschen? Das konnte überall sein.
»Fahr einfach dorthin. Wenn wir in der Nähe sind, werd ich es schon finden.«
»Ja, wenn du bis dahin nicht im Koma liegst.«
»Sehr witzig«, erwiderte sie, ohne die Augen zu öffnen. »So betrunken bin ich nun auch wieder nicht.«
Kurz lachte er auf. »Hast du keine Telefonnummer von ihr?«
»In meinem Handy.«
Ohne ihre
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