Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
»Ben Wisch«, nach New York. Und so kommt es, dass die UNO-Delegierten zwar wieder einen kleinen dicken Mann zu Gesicht bekommen, der aber diesmal nicht den Namen Hans-Dietrich, sondern Hans-Jürgen trägt.
Als Helmut Schmidt einmal …
… sein eigener Hoffotograf war
1976 kommen Pocketkameras in Mode – »Ritsch-Ratsch« genannt. Auch Helmut Schmidt hat eine. Das Modell Agfa Optima 5000, Preis: 239 Mark, hat ihm Bayer-Chef Herbert Grünewald geschenkt. Die Kamera ist idiotensicher, also eigentlich eine Unterforderung für den Weltökonomen.
Die Ritsch-Ratsch nimmt der Bonner Macher nun öfter mit auf Reisen und macht Fotos.
So knipst Schmidt während einer Reise nach China mit der Agfa. Fotomotive gibt’s genug: Schmidt sieht die roten Willkommensbanner: »Wir grüßen den Bundeskanzler und Frau Schmidt herzlich«. Ein prima Bild. Schließlich wird der Kanzler nicht mal auf SPD-Parteitagen so begrüßt.
Propagandalosungen wie »Wir unterstützen die europäischen Nationen gegen die Hegemonisten« hingegen sind selbst für den selbstbewussten Deutschen etwas zu viel.
Schmidt besucht Viehzuchtbetriebe, eine Pekingoper, Fabriken und wird in Nanking von viertausend bunt gekleideten Kindern begrüßt, die den Tanz der Löwen aufführen. Diese Kommunismusfolklore lässt den Kanzler ziemlich kalt. Der Fotograf Schmidt mag lieber unpolitische Motive und knipst stattdessen die Chinesische Mauer.
Daheim sorgt sich der Kanzler verstärkt um die deutsche Kameraindustrie, die dabei ist, von der japanischen Konkurrenz zerquetscht zu werden. Bei fast jeder Gelegenheit fragt er die anwesende Fotografenmeute: »Hat denn hier keiner eine deutsche Kamera?« Meistens hat keiner.
Im Kanzleramt regiert zwar der Deutsche Schmidt, bei den Fotografen hingegen dominieren die Japaner Minolta, Nikon und Canon.
Für ein abgedrucktes Bild bekommt Schmidt sogar von der Zeitschrift Gong ein Honorar. Die 500 Mark gibt er – ganz Patriot – gleich an einen Pressefotografen weiter, damit der sich endlich eine deutsche Kamera kauft.
Als Helmut Schmidt einmal …
… seinen Panzer verlieh – und unter
Beschuss des Rechnungshofes geriet
Wenn es um die Spitzenpolitik geht, bekommen Fernsehzuschauer die immer gleichen Sequenzen vorgeführt. Es ist die Bildsprache der Macht, mit der das Fernsehen signalisiert: Jetzt wird es wichtig, jetzt wird regiert.
Eine dieser Sequenzen: Dunkle Limousine fährt vor, Kanzler oder Minister steigt aus, Händeschütteln, Gruß, Abgang ins Kanzleramt. TV-Zuschauer sehen das alle paar Tage, während der Schleyer-Entführung mit ihren Krisensitzungen sogar mehrmals täglich.
Helmut Schmidt hat diese Bildsprache der Macht erweitert. Wären jemals Kameras dabei gewesen, dann hätten sie Folgendes einfangen können: Dunkle Limousine fährt vor – Schmidt-Sekretärin steigt aus.
Das kam so:
Im Sommer 1980 wird publik, dass Helmut Schmidt seine Sekretärinnen in gepanzerten Dienstfahrzeugen zur Arbeit chauffieren lässt. Liselotte Schmarsow und Marianne Duden, eine launige Berlinerin und eine fröhliche Rheinländerin, werden morgens abgeholt und abends wieder in ihre Wohnungen zurückgebracht. Als Bundestaxi werden BKA-Fahrzeuge der Sonderschutzklasse B6 und B7 verwendet. Das reicht für Angriffe mit Kalaschnikows.
Der Schmidt-Mercedes, ein 380 SE, wird auch »Panzer« genannt. Und in den Genuss des Panzers kommen neben Helmut eben auch Liselotte und Marianne. Kosten: nur 10 000 Mark im Jahr. Die Begründung liefert Kanzleramtsminister Manfred Lahnstein: Da die RAF inzwischen eingesehen habe, dass Schmidt zu gut gesichert sei, müsse man nicht mehr mit Angriffen auf seine Sekretärinnen rechnen.
Das Chauffieren der Damen im Panzer-Daimler erregt die Aufmerksamkeit des Bundesrechnungshofes. Schließlich habe es Liselotte Schmarsow drei, Marianne Duden nur sechs Kilometer nach Hause. Ob das mit dem Panzer denn sein müsse. Solche Fahrten verstießen gegen die »Richtlinien gemäß Paragraf 52 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung für die Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen außerhalb der dienstlichen Verwendung bei obersten Bundesbehörden vom 2. Juli 1975«.
Rettung für Schmidts Chauffierservice kommt ebenfalls aus den Paragrafen. Dort steht, dass bei einer Überschreitung der normalen Arbeitszeit über 19 Uhr hinaus auch »sonstigen Bediensteten« eine Staatslimousine zur Verfügung gestellt werden könne.
Schmidts Arbeitstag endet nicht selten erst gegen Mitternacht.
Trotz einiger weiterer
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