Typisch Mädchen
alle Mädchen im Alter meines Sohnes sind sauberer.« Liegt das Geheimnis vielleicht in dem Wort »anhalten« fürs Mädchen und »hoffnungslos« für den Buben ? Vielleicht in der Vorstellung, daß Buben eben so seien, nämlich »hoffnungslos«, mit der Folge, daß bei ihnen das »Anhalten« weniger intensiv ausfällt.
Abends bei einer Nachbarin wird Anneli wegen des Kleides ebenfalls sehr bewundert. Ich merke an ihrer Haltung, daß das Kleid inzwischen für sie mehr ist als lediglich ein Kleidungsstück, sie kann darin Bewunderung hervorrufen!
2. November 1983 (2Jahre, 3 Monate)
Ich will Birnensaft mit der neu erstandenen Saftmaschine machen. Sie funktioniert aber nicht so, wie ich mir das vorstelle. Die Gebrauchsanweisung finde ich nicht. Ich bin wütend, schimpfe auf die Maschine, und es entfährt mir auch der Fluch: »Scheiß Technik.« Anneli steht daneben und hört zu. Klaus kommt vom Büro nach Hause. Er wird von mir sofort über das Malheur informiert und soll die Maschine auch gleich reparieren, was er tut. Anneli steht sauer daneben, weil sie eigentlich mit Papi spielen wollte. Nach wenigen Minuten funktioniert das Gerät. Es stand schlicht und einfach schief!
Anneli bekam am Paradebeispiel vorgeführt, wie es geht: Maschine und Frau kommen nicht miteinander zurecht. Papi wird zu Hilfe gerufen, repariert und schon geht's. Das Verhalten ist wieder einmal eine unausgesprochene Botschaft für die Kinder, die ihre Früchte trägt. Mädchen blenden bei Technik aus, Buben fühlen sich angesprochen. Bei den einen bleibt das Interesse weg, bei den anderen wird Technik zur Identifikationsübung.
Ein Ausflug ist geplant. Annelie und Schorschi sitzen bereits im Auto. Doch der Wagen springt nicht an. Ich weiß, woran es liegt, denn es passierte in letzter Zeit häufig: ein verstopfter Vergaser. Ich weiß auch, daß die Reparatur sehr einfach ist und nur wenige Minuten in Anspruch nimmt. Trotzdem kann ich es nicht. Ich habe es bisher nicht für der Mühe wert gefunden, es zu lernen.
Also .erkläre ich den Kindern: »Auto kaputt, alle aussteigen, Klaus anrufen, Papi wird helfen.«
Dieser kommt extra in seiner Mittagspause, als es nach telefonischen Anweisungen mit der Reparatur bei mir nicht klappt, ich feststelle, daß ich noch nicht einmal die einzelnen Teile ihrer Bezeichnung nach kenne, und hilflos bin. Die Kinder stehen neben mir bei meinen vergeblichen Versuchen. Sie stehen neben Klaus, als das Auto nach fünf Minuten wieder anspringt. Es ist die klassische Rolleneinteilung, die sie erfahren. In der Zwischenzeit habe ich in der Küche gekocht. Aber wenigstens ärgere ich mich, und beim nächsten Mal konnte ich es selbst reparieren. Ich hatte es gelernt. Es ist einfacher als Kochen.
Warum, so frage ich mich, war meine Hemmschwelle, das Auto anzufassen, um es zu reparieren, so hoch? Am meisten machte mir zu schaffen, mit sauberen Händen in Ol, Schmiere und Ruß zu fassen und mich der Gefahr von Verletzungen, und seien es nur kleinere, auszusetzen. Gleichzeitig war es für mich ein Eindringen in eine völlig fremde Welt von Schmutz. Ich bin gewöhnt an Schmutz beim Abspülen, beim Putzen, beim Kinder-Windeln, im Garten, bei Malerarbeiten und wenn ein Kind sich erbricht. Dies ist ja auch manchmal ziemlich ekelhaft. Warum reserviere ich daher Schmutz in Form von Öl, Schmiere und Rost für Männer? Rein theoretisch hätte ich natürlich diese Schmutzreservate geleugnet und für mich selbst nicht in Betracht gezogen. Erst der aktuelle Augenblick - das Hineinfassen in den Motorraum mit sauberen Händen - brachte für mich die Wahrheit ans Licht.
Liegt es daran, daß Frauen - bis auf kaum bekannte Ausnahmen - an der Entwicklung der Technik weder durch eigene Erfindungen noch durch wirtschaftliche Macht Anteil hat-ten? Daß die Technik, die angeblich so neutral ist, alles andere als das ist; vielmehr dadurch geprägt und beschränkt, daß sie zugleich gesellschaftliches Eigentum von Männern und ein ausschließlich von ihnen geschaffener Prozeß ist? Die Technik kann so in einem historischen und materiellen Sinne als männlich definiert werden. Sie läßt sich, so wie sie ist, nicht weiblich noch nicht einmal geschlechtsneutral anwenden. Wir wurden und werden als Teil von ihr abgewiesen und weigern uns vielleicht deshalb, sie weiter über ihre reine Funktionalität hinaus wahrzunehmen oder uns gar für sie zu interessieren. 22
Um das zu ändern, gilt es für uns, die Müttergeneration, uns mit der Technik zu
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