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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sir«, antwortete er. »Aber Sie können zu Leyman gehen.«
    »Leyman?«
    »Der Laden auf der anderen Straßenseite. Es ist das beste Geschäft im Ort. Und das einzige«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
    Hinter mir waren Schritte. Aber ich war sicher, dass sich die Tür nicht geöffnet hatte.
    »Ich bin sicher, Sie werden etwas Passendes bei ihm finden, Sir«, fuhr der Kassierer, plötzlich äußerst redselig geworden, fort. »Er hat eine große Kollektion von Anzügen und Kleidern. Das meiste bezieht er direkt aus London, wissen Sie?«
    Die Schritte kamen näher. Sie hörten sich schwerfällig an; plump, tapsend. Nicht wie die eines normalen Menschen. Im Grunde überhaupt nicht wie die eines Menschen …
    Ich widerstand mit aller Kraft der Versuchung, mich herumzudrehen. Wenn hinter mir jemand stand – und wenn dort jemand war, dann war er nicht mein Freund –, dann würde ihn das nur zum Angriff provozieren.
    »Ich müsste auch ein Telegramm aufgeben«, fuhr ich mit gespielter Gleichgültigkeit fort. Mein Blick suchte unauffällig die Wand hinter dem Kassierer. Das Sonnenlicht fiel ungemildert durch die Fenster hinter meinem Rücken, und unsere beiden Schatten zeichneten sich deutlich auf dem weißen Verputz ab.
    Aber nur unsere Schatten! Kein Dritter.
    »Das können Sie auf dem Postamt, Sir. Aber ich fürchte, dazu ist es heute schon zu spät. Die Post schließt hier schon zur Mittagsstunde. Goldspie ist ein kleiner Ort, Sie verstehen?«
    Die Schritte waren jetzt ganz nahe, und plötzlich glaubte ich einen schwachen, süßlichen Geruch zu spüren. Etwas wie Fäulnisgestank, vermischt mit Salzwasser, den Geruch von Tang und feuchtem Sand und noch etwas Anderem, Undefinierbarem. Und es wurde merklich kälter.
    Etwas schneller, als ich eigentlich wollte, raffte ich mein Geld zusammen, legte den Großteil davon in meine Aktenmappe und stopfte den Rest unordentlich in die Jackentaschen.
    Dann ließ ich mich zur Seite fallen, einfach so, ohne die geringste Vorwarnung und ohne auch nur mit einem Wimpernzucken zu verstehen zu geben, dass ich die Gefahr bemerkt hatte. Ich prallte auf die Schulter, rollte mich ab und kam mit einem kraftvollen Sprung wieder auf die Füße. Blitzschnell wich ich ein paar Schritte zurück, erreichte eine geschützte Ecke und blieb, leicht vornübergebeugt und mit gespreizten Beinen stehen. Meine Linke schwenkte die Aktenmappe wie einen Schild, während die andere Hand mit einer blitzartigen Bewegung den silbernen Knauf meines Spazierstockes löste. Das Florett, das darin verborgen war, sprang wie von selbst in meine Hand. Der rasiermesserscharf geschliffene Stahl bildete eine blitzende, tödliche Barriere vor mir.
    Es gab allerdings nichts, wovor sie mich hätte beschützen können.
    Der Schalterraum war nach wie vor leer. Die einzigen Lebewesen, die sich darin aufhielten, waren ich und der Kassierer.
    Ein Kassierer, der mich jetzt aus ungläubig aufgerissenen Augen anstarrte und vergeblich nach Worten rang. Sein Blick irrte zwischen mir und der Stelle, an der ich noch vor Sekunden gestanden hatte, hin und her.
    »Sir …«, sagte er unsicher, »wenn ich vielleicht fragen dürfte …«
    Ich ignorierte ihn, lauschte angestrengt und sog hörbar die Luft ein. Die Schritte waren verstummt, im gleichen Moment, in dem ich mich zur Seite geworfen hatte. Der seltsame Geruch war noch spürbar, aber es war nicht mehr als ein schwacher Hauch des ursprünglichen Gestankes. Nein, wir waren wieder allein. Was immer sich an mich angeschlichen hatte, war verschwunden.
    »Ich dachte, ich … hätte Schritte gehört«, antwortete ich ausweichend. »Hinter mir.«
    »Schritte? Hier?« Der Ausdruck auf dem Gesicht des Kassierers änderte sich erneut. Jetzt hielt er mich wohl für total übergeschnappt. Aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass die besten Lügen immer die sind, die sich so dicht wie möglich an der Wahrheit bewegen.
    »Man muss vorsichtig sein, wissen Sie?«, sagte ich lächelnd. »Immerhin trage ich eine Menge Geld mit mir herum.« Langsam senkte ich das Florett, schob es in seine Hülle zurück und schraubte den Knauf wieder fest. Die Waffe war eine glatte Fehlkonstruktion. Sie ließ sich im Notfall blitzschnell ziehen, aber sie wieder zusammenzubekommen, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ich brauchte drei Minuten, schnitt mich dabei einmal in den Daumen, brach mir drei Nägel ab und degradierte mich in den Augen des Kassierers wahrscheinlich endgültig zum Trottel.
    Endlich hatte ich

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