Tyrannenmord
nachdem er seinen Fadenzähler erneut aufgeklappt und hindurchgesehen hatte.
»Und was schließen wir daraus?«, hakte der Gerichtsmediziner nach, der sich offensichtlich immer noch in seiner Wohlfühlrolle befand.
»Gift«, erwiderte Schmidt kurz und bündig.
»Ganz genau, Gift, das ist es«, bekräftigte Kolackewitz, endlich zufrieden.
»Gut, gut, also Gift«, wiederholte Schmidt nachdenklich. »Nur, die Laborwerte wirst du noch gar nicht erhalten haben – wieso kannst du da so absolut sicher sein?«, meinte er zweifelnd.
»Na, sieh dir mal den Leichnam genau an, Paul. Diese negativen Totenflecken und diese, für den Laien in der Tat kaum erkennbaren Muskelwülste sowie die leicht abstehenden Zehen.« Kolackewitz räusperte sich. »Es sollte mich sehr wundern, wenn wir hier nicht die Anzeichen für eine lange, schleichende Vergiftung in geringsten Dosen vorliegen haben. Und da das Drama sich im ländlichen Raum abgespielt hat, tippe ich auf Parathion, also E 605, das inzwischen völlig zu Recht verboten ist … ich vermute nur, dass sich durchaus Reste dieses Teufelszeugs in so manchem landwirtschaftlichen Schuppen finden lassen und ich bin ziemlich sicher, dass unser Labor das Gift im Körpergewebe des Toten nachweisen wird. Ach ja, am Rande: Eine Leberzirrhose durch Alkoholmissbrauch ist ebenfalls festzustellen.« Kola räusperte sich abschließend.
»Welche Person allerdings Gelegenheit hatte, den schleichenden Mord auf Raten auszuführen, das herauszufinden, ist nun dein Job, Schmidtchen.«
»Okay«, erwiderte Schmidt. »Warten wir erst mal die definitiven toxikologischen Laborwerte ab, Kola, und wenn alles so zutrifft, wie von dir vorausgesagt, kann man wohl durchaus vom Tod im Dreierpack sprechen.«
»Ja, mein liebes Schmidtchen«, bestätigte Kolackewitz nickend und wandte sich seiner geliebten Arbeit zu, »das könnte man durchaus.«
Als Schmidt am nächsten Morgen vor seinem Schreibtisch in der Bezirkskriminalinspektion saß und zusammen mit Isabell gerade an dem Tatortbefundbericht arbeitete, klingelte das Telefon und Kolackewitz war am Apparat.
»Ja, Paul, ich habe jetzt die Laborwerte vorliegen und wie vermutet, ist alles im positiven Bereich, in den Gewebeproben aus Leber, Niere und Gehirn konnte ebenfalls Parathion nachgewiesen werden. Meinen schriftlichen Befund erhältst du in den nächsten Tagen.«
»Gute Arbeit, danke Kola«, lobte Schmidt, »dann können wir ja richtig loslegen!«
Kaum dass er den Hörer auf der Gabel hatte, klingelte es erneut und die Spurensicherung war dran. »Ja also, lieber Kollege«, meldete sich Keller. »Die Untersuchung der beiden infrage kommenden Täter-Standorte, die wir nach Berechnung der Einschusswinkel ziemlich präzise bestimmen konnten, hat, was den Pfeilschützen angeht, kaum etwas Verwertbares gebracht. Denn lediglich an abgebrochenen Aststücken, die auf dem Boden herumlagen, haben wir winzige Lederkrümel sichergestellt. Wahrscheinlich hat der Täter, um besser schießen zu können, erst einige der Äste abgeknickt. Das war aber auch schon alles, keine Fußspuren, nur niedergetretenes Gras.«
»Was meinst du, kann man denn nach Art der Lederkrümel auf ein bestimmtes Kleidungsstück schließen?«, fragte Schmidt.
»Das dürfte allerdings schwieriger werden«, antwortete Keller, »wir wissen bis jetzt nur, dass es sich wahrscheinlich um Wildleder handelt. Da fällt mir ein: Werden beim Bogenschießen nicht zum Schutz Handschuhe benutzt? Kannst du vielleicht damit was anfangen?«
»Gut, gut, Herr Kollege«, antwortete Schmidt. »Und wie steht’s mit dem Standort des Gewehrschützen in den Dünen, kam da definitiv gar nichts bei raus?«
»Im Sand waren natürlich etliche, zum größten Teil überlagerte Fußspuren zu sehen«, stellte Keller fest. »Leider alle ohne klaren Abdruck, geschweige denn mit abgegrenzten Konturen. Einige Textilfäden haben wir gefunden – ist natürlich naheliegend, dass diese von Badelaken oder Badezeug stammen. Was uns nicht weiterhilft, weil diese Stoffe in Mengen von der Industrie verarbeitet werden und deshalb keine besonderen, spezifischen Merkmale aufweisen. Vielleicht fördert ja die DNA-Untersuchung noch etwas zutage.«
»Okay, danke Kollege, fassen wir uns in Geduld, wir werden seh’n, was uns letztlich weiterhelfen wird«, beendete Schmidt das Gespräch und hängte ein.
Als Erstes sollten er und Isabell gleich morgen die Hauptverdächtigen, Ehepaar Thams, Jo Keim, Erika Long und Hinz Henningsen, auf
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