Tyrannenmord
entkommen konnte, wobei es durch das entstandene Verkehrsknäuel einige Verletzte gab. Bevor das Flugobjekt im bewaldeten Hinterland verschwand, hinterließ es ein paar herabrieselnde Flugblätter, auf denen ›Biker go home‹ zu lesen war.«
»Meinen Sie denn, Herr Wachtmeister, dass dieser Anschlag dem Konto des von Ihnen erwähnten, sogenannten harten Kern zuzuordnen ist?«, hakte Isabell nach.
»Schwer zu sagen«, erwiderte daraufhin Hensel. »Vielleicht ist es ein weiterer Anlieger, der sich auf diese, wenn auch sehr außergewöhnliche Art und Weise, wehren wollte. Oder es war möglicherweise ein Trittbrettfahrer, der einfach nur auf Krawall gebürstet ist – heutzutage ist ja nichts mehr auszuschließen, Frau Kommissarin! Ja, und dann möchte ich noch die versuchte Störung des Mogos erwähnen, in dessen erhabene Orgel-Kantaten sich – gerade während einer dieser Trauungszeremonien – die Kehlgesänge amerikanischer Schwarzfußindianer mischten, die von irgendwelchen verdeckten Anhöhen, aus Lautsprecherboxen, ins Tal waberten.«
»Kreativ scheinen die Leute hier ja zu sein«, bemerkte Schmidt schmunzelnd. »Ja, und wie ging es weiter?«
»Ja, also, wer dahintersteckte, kann man nur vermuten, denn erwischt wurde er weder von uns noch von den rachsüchtigen, sofort ausschwärmenden Rockern.« Hensel unterbrach kurz seinen Redefluss, nun mehr Schmidt zugewandt. »Übrigens, wie ich Ihnen ja bereits sagte, soll sich Joachim Keim früher einige Jahre bei Indianern aufgehalten haben, das hier nur mal ganz am Rande, Herr Hauptkommissar.«
»Okay, danke für den Hinweis«, erwiderte Schmidt, »und wie ging’s weiter?«
»Ja, also, es sollte in der Tat weitaus besser kommen: In der Nacht vom Freitag auf Samstag vor einer Woche hatten wir ferner einen Fall von illegaler Abfallbeseitigung und Umweltverschmutzung, will heißen, dass damit die am darauffolgenden Samstag initiierte Veranstaltung Thomsens, inklusive Mogo, buchstäblich ins Wasser – pardon – in reichlich Gülle unterging.«
Dann berichtete Hensel, dem die Schadenfreude zum eben Geschilderten noch ins Gesicht geschrieben stand, den beiden Beamten auf deren Nachfragen ausführlicher von der Gülle-Attacke und dass man der Täter bisher hatte nicht habhaft werden können. Er schilderte die anschließende nächtliche Rache-Aktion durch eine unerkannt gebliebene, motorisierte Rockergruppe auf die bereits erwähnte Frühstückspension.
»Das ist fürs Erste eine ganze Menge, Herr Hensel«, stellte Isabell fest und warf einen Blick auf ihren Chef, der zustimmend nickte. »Diesen Personenkreis gilt es als Nächstes zu überprüfen und von Ihnen«, ergänzte Schmidt zu Hensel gewandt, »bekomme ich in den nächsten Tagen bitte ein schriftliches Protokoll.«
»Alles klar, Sir«, erwiderte der schläfrige Hensel gleichmütig und etwas respektlos. »Und sollte sonst noch was sein, wissen Sie ja, wo ich zu finden bin, Herr Hauptkommissar.«
Der Kieler Gerichtsmediziner Kolackewitz war gerade mit der Obduktion der Leiche beschäftigt, als Schmidt übernächtigt am späten Nachmittag in den weiß getünchten, gekachelten Raum trat.
Er bedachte den Arzt mit einem kurzen Nicken, so, wie es gelegentlich unter Leuten geschieht, die sich lange kennen und daher formeller Höflichkeitsfloskeln untereinander nicht unbedingt bedurften.
»Ich schätzte an meiner Arbeit immer schon die Abwechslung. Aber so etwas wie das hier, diese vielfältige Kombination des ›Um die Ecke Bringens‹ habe selbst ich bisher nicht gesehen und das«, Kolackewitz’ Stimme senkte sich zu einem Murmeln herab, »will was heißen. Doch erst mal der Reihe nach.«
In eine leicht angehobene Tonlage wechselnd, nahm Kolackewitz den gefiederten Pfeil auf, den er bereits aus dem seitlichen Halsbereich des Toten entfernt hatte. »Dieses Geschoss traf hier«, er deutete mit der metallischen Pfeilspitze auf die rechte, seitliche Halspartie, »die Hauptschlagader und durchtrennte diese fast so glatt, als wäre die Klinge eines scharfen Messers mit großer Wucht geführt worden. Ich gehe davon aus, dass nicht nur der große Blutverlust in Sekundenschnelle, sondern allein der Schock ausgereicht haben könnte, unmittelbar den Tod des Opfers herbeizuführen. Der Pfeil scheint mir ein normales, handelsübliches Teil zu sein.« Kolackewitz hielt Schmidt den Pfeil entgegen, der sich inzwischen Schutzhandschuhe übergestreift hatte.
»Ja, da hast du wohl recht«, antwortete Schmidt, während er
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