Tyrannenmord
den Zahn fühlen. Beate Thomsen wollten sie vorerst davon ausnehmen, weil sie sich in Sicherheit wiegen sollte, denn Schmidt hatte so ein Gefühl, dass sie womöglich bei der langsamen Vergiftung ihres Mannes einen Komplizen hatte. Um diesem auf die Spur zu kommen, würde er sie rund um die Uhr beschatten lassen müssen.
Nachdem er dieses veranlasst und mit Isabell alles Nötige besprochen hatte, verließ er seinen Arbeitsplatz und machte sich, da in dieser kleinen Stadt keine weiten Strecken zurückzulegen waren, zu Fuß auf den Weg nach Hause.
12. Ein Bandido taucht ab
Es war mittlerweile zwanzig Uhr vorbei und Schmidt beschloss, weil er ziemlich müde, aber noch hungrig war, sich eine schnelle Tomatensuppe aus der Tiefkühltruhe zuzubereiten. Dazu zerteilte er eine gelbe Paprika in mundgerechte Stücke und legte einen frischen griechischen Fladen dazu.
Er genoss sein frugales Mahl ohne jede Störung und weil er es nicht mehr schaffte, ein gutes Buch zu lesen, ließ er sich danach von irgendeiner flachen Fernsehsendung berieseln. Ohne es selber registriert zu haben, musste er darüber eingenickt sein, denn das Klingeln seines Handys klang dumpf und wie von weit her. Er sah gähnend auf seine Armbanduhr, die inzwischen zweiundzwanzig Uhr anzeigte.
»Ja, Schmidt?«.
»Hier Hensel. Herr Hauptkommissar, ich hoffe ich störe nicht, aber es könnte wichtig sein.«
»Allzeit im Dienst, um was geht es denn?«
»Kurz vor Dienstschluss ist hier ein anonymer Anruf eingegangen. Demnach soll sich Frau Thomsen schon seit Längerem heimlich in der Stadt mit einem gewissen Sven Bothe getroffen haben.«
»Das soll in einer Ehe gelegentlich vorkommen«, erwiderte Schmidt gleichmütig und notierte sich routinemäßig den Namen.
»Ja, aber das pikante daran ist, Herr Hauptkommissar, dass dieser Mann Vizepräsident der Kopenhagener Bandidos sein soll.«
»Hey, das gibt der Sache allerdings schon ein ganz anderes Gewicht.«
»Er ist übrigens zurzeit weder in Flensburg noch im Kopenhagener Bereich unter diesem Namen registriert, vermutlich lebt er unter einem Decknamen.«
»Da haben Sie wahrscheinlich recht«, antwortete Schmidt zustimmend. »Danke, Herr Wachtmeister, danke für die Recherche, bis demnächst dann also.«
Schmidt war inzwischen hellwach und seine Denkmaschine begann, emsig zu arbeiten.
Innerhalb der Bandenkriege zwischen Bandidos und Hells Angels, in denen es in erster Linie um Gebietsansprüche ging, die dann die üblichen dunklen Geschäfte wie Drogenhandel, räuberische Erpressung, Menschenhandel und Zwangsprostitution nach sich zogen, war es hin und wieder zu regelrechten Hinrichtungen gekommen. Schmidt war bekannt, dass bei den Razzien der Polizei neben Totschlägern, Schlagsternen, Pistolen, hin und wieder auch Sturmgewehre einkassiert wurden. Es erschien ihm deswegen durchaus nicht abwegig, dass dieser Bothe für den Anschlag auf Thomsen infrage kam. Und abwegig kam es ihm ebenfalls nicht vor, dass diese Banden für ›Spezialaufgaben‹ womöglich eigene Scharfschützen mit dem entsprechenden Gerät heranzüchteten.
Doch wo konnte man diesen Bothe jetzt ausfindig machen? Schmidt ließ sein Kinn leicht nach vorn in Richtung Brust fallen, wie er es immer tat, wenn er scharf nachdachte.
Dann kam ihm ein Gedanke. Ja, natürlich, das wäre doch möglich.
Am nächsten Morgen wies Schmidt seine Assistentin an, sämtliche Hafenmeister der Segler-Liegeplätze auf deutscher Seite zu kontaktieren. Wenn das nicht zu einem konkreten Hinweis führte, sollte die Suche sich auf die dänische Südseeküste ausdehnen. In Fahrensodde, einem Seglerhafen in Flensburgs Nordosten, wurde sie überraschend schnell fündig. Dort war Sven Bothe, wie der Hafenmeister mitteilte, als Eigner eines Liegeplatzes für seine Yacht ›Doria‹ registriert. Schmidt lobte die Kollegin und bemerkte: »Ja, ich sagte es ja schon immer – fischen, wo die Fische sind.«
Dann beauftragte Schmidt zwei routinierte Streifenbeamte, und einen jüngeren Kollegen, der noch Erfahrungen zu sammeln hatte, umgehend Liegeplatz und Yacht zu observieren.
Am Zielort reihten sich Steg an Steg, Yacht an Yacht in allen Preisklassen und Größen und es waren auch viele Gastsegler aus Skandinavien zu Besuch.
Der Hafenmeister führte sie sicher durch das Gewirr der Boote und als die ›Doria‹ in Sichtweite kam, entschuldigte er sich, denn er hätte noch eine ganze Reihe von ein- und auslaufenden Seglern abzufertigen. Beim Näherkommen bemerkten die
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