Über Alle Grenzen

hatte eine schöne Wohnung für Goshir Gyaltsab gefunden. Sein Mo bestätigte Maias Traum, dass ich auf der nächsten Südamerikareise bewaffnet sein sollte. “In Tibet hatten sogar die Mönche ein Gewehr dabei, wenn sie reisten”, sagte er.

    Hannah fuhr mit Gyaltsab nach Polen und anschließend nach Griechenland. Für mich fanden am nächsten Morgen meine starken Verbindungen zu Deutschland einen einmaligen Ausdruck: Ich überquerte die Grenze nach Berlin während des Mauerfalls. Die sonst so sauren Vopos standen völlig überwältigt herum, mehrere der breiten Männer hatten Tränen in den Augen. Sie riefen nur “Pässe links, Ausweise rechts!”, während die Menschenmassen endlos nachschoben. Die Gesichter der Ostdeutschen blieben verknittert, bis die verspätete S-Bahn abfuhr. Sie fanden dafür sehr ungewöhnliche Ausdrücke, als sie entdeckten, dass sie jetzt tatsächlich frei waren. Nach der Zeit in den Ostländern war das Essen bei Michael und Gunda wie aus einer anderen Welt. Jeder hatte tausend Vorstellungen, was nun mit den Ostdeutschen geschehen würde.
    Wir wurden abends um sechs Uhr in Passau erwartet, kamen aber erst um zwölf Uhr an. An der deutsch-deutschen Grenze nach Bayern hatte es einen sechzehn Kilometer langen Trabi-Stau gegeben, danach jede Menge verschlafene Linksfahrer. Zum Glück hatte sich die weise Theresia der Zuhörer in dem vollen Saal erstklassig angenommen, und bis zum frühen Morgen ging es mehr um Gorbatschow und den Geist der “Ossis” als um Erleuchtung und Karmapa.
    In Norddeutschland bot das Zentrum bei Südergellersen eine erste Berührungsfläche zur Psychologie. Dann folgten Belehrungen im schnell wachsenden Hamburg, in Kiel und in Schmedeswurth in der Nähe der Nordsee.
    In Groningen/Holland stellten Marja und Jolanda einen gutbesuchten dreitägigen Kurs auf die Beine. Zu meiner großen Freude hatte Marja die Übersetzung von “Die Buddhas vom Dach der Welt” fertig gestellt, und ein Verleger war bereits gefunden worden. Anschließend folgten zwei Tage in Den Haag bei Franz und Gülfen, die wir schon in Istanbul besucht hatten. Sie unterstützen seit den frühen Jahren Schwarzenberg und meine Arbeit. Was den früher so kulturreichen holländischen Innenstädten zugestoßen war, war verheerend. Zuwanderer aus früheren afrikanisch bevölkerten und asiatischen Kolonien hatten sie weitgehend zu Ghettos gemacht, zu schweren Belastungen der Gesellschaft. Geburtenzahlen und Ausbildungsstand machen künftige Auseinandersetzungen unvermeidbar, die einem humanistisch eingestellten Europa sehr teuer kommen werden.
    Für Anfang Dezember hatten unsere Schweizer Freunde eine Berghütte bei Bern gemietet. Auf einer Wanderung im Schnee oberhalb der Wolken fand Annemarie aus Zürich nach Jahren der Suche ihre wirkliche Verbindung zu Buddhas Lehre. Sie entschloss sich, mit Markus, Kasia und anderen Freunden ihr gediegenes Haus in Zürich zu unserem Zentrum zu machen.

    Zurückziehung in den Schweizer Alpen

    Anschließend flogen Maia, mehrere Freunde und ich für einige Tage nach Karma Gön, wo Tenga Rinpoche den Ort für die geplante Stupa segnete. Er übergab später die Verantwortung für den Bau an Lopön Tsechu und mich, und wir sammelten von diesem Zeitpunkt an fleißig Geld. Die Stupa sollte dreizehn Meter hoch werden und vom Mittelmeer aus deutlich zu sehen sein.

    Nach Österreich und verschneiten Weihnachten in Schwarzenberg folgten Heidelberg, Wuppertal und Hamburg, von wo aus Caty mitkam. In Kopenhagen warteten Hannah und ein riesiges Neujahrsfest auf uns. Eine durchtanzte Nacht ließ wenig Zeit zum Kofferpacken für die kommende Fahrt durch Südamerika und weiter um die südliche Hälfte der Welt. Tomek hatte gut geplant, jede Stunde würde gut genutzt werden.

    Wir landeten in Caracas um fünf Uhr morgens. Nach den Veränderungen in Osteuropa konnte Tomek diesmal mit seinem polnischen Pass reisen. Der spitznasige Zöllner wollte nur eines sehen: den Koffer mit meinem Revolver. Als alle Versuche, ihn abzulenken, fehlschlugen, wurde er plötzlich zum Telefon gerufen, und wir verschwanden. Auch Pedro brachte seine Videokamera unbehelligt durch den Zoll. Er sollte für das dänische Fernsehen “Die Fahrt des weißen Lamas um die Welt” filmen. Obwohl von einer Grippe, unter der halb Europa zu dieser Zeit litt, schwer angeschlagen, hatte niemand Zeit, um krank zu sein: Fünfunddreißig hoffnungsvolle Venezolaner warteten auf einem Universitätsgelände vor der Stadt auf