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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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ansammeln wollten. Aber in der zweiten Hälfte der 90er Jahre stieg das Interesse am Diamantweg sowohl in England als auch in den Niederlanden, und unsere Zentren dort begannen zu wachsen. Bei den Franzosen war oft die kraftvolle Vorführung, der äußere Rahmen, genug, und was die Belgier wollten, verstand wohl niemand. Erst im Jahre 2000 entstand eine nette Diamantweg-Gruppe in Paris und Brüssel.
    Im “Kosmos” in Amsterdam wäre fast alles schief gegangen. Im obersten Stock des Kulturzentrums wurde Haschisch verkauft. Schon am Eingang sprach Karmapa das hundertsilbige Reinigungsmantra von Diamantgeist, was kein gutes Zeichen war. Auf dem Weg hinauf zum Saal, in dem er die Schwarze Krone zeigen sollte, waren die Leute so unaufmerksam oder voll gepumpt mit Drogen, dass wir sie beiseite schieben mussten, um Karmapa Platz zu machen. Bei den Vorbereitungen war es nicht möglich, für Ruhe zu sorgen. Alle redeten einfach weiter. Die würdevolleren Mitglieder des Gefolges versuchten von der Bühne aus, etwas zu sagen, aber niemand hörte zu. Die Lage wurde untragbar, und doch wäre es schade gewesen, Karmapa wieder hinauszubegleiten, ohne dass er die Menschen gesegnet hätte. Also kletterte ich über einige Absperrungen auf die Bühne und schrie die Leute einfach an. Das konnten sie verstehen, und einige Augenblicke später war es ruhig. Sonderbarerweise gab es hinterher keinen Zorn über meine wenig schmeichelhaften Ausdrücke, und die meisten blieben sogar zu einer Meditation, die ich am Ende leitete. Obwohl die eigentliche Idee war, tibetisch-westliche Kontakte aufzubauen, war ich von da an für die unangepassten, langhaarigen jungen Menschen zuständig.

    In Paris hatte Karmapa große Auftritte, es wimmelte von berühmten Leuten und gehobenem Bürgertum. Die Zeremonien fanden in den großen Sälen der feinen Hotels statt, und die Franzosen verlangten Eintrittsgeld, was wir auch hätten tun sollen. Es ist auf Dauer nicht möglich, dass einige Wenige, die Herzen der Zentren, alle Ausgaben tragen. Niemand schafft es, ständig verschuldet zu sein
    Die Bühnen waren immer gleich aufgebaut. Für Karmapa stand ein großer Thron in der Mitte, während die rot gekleideten tibetischen Mönche rechts von ihm saßen und die schwarz gekleideten Zen-Mönche aus dem jeweiligen Zentrum links. Im Saal sah man eine ältere und angepasstere Bevölkerungsschicht als in der germanischen Welt. Der Aufruhr der Jugend war hier offenbar nicht so durchschlagend gewesen wie im nördlichen Europa, denn die jungen Leute sahen sehr wohlerzogen aus. Hier wusste man, auf welcher Seite des Brotes die Butter war, und fand seinen Weg innerhalb und nicht gegen die bestehende Ordnung.
    Arnaud Desjardin, der das Vorwort für “La Voie du Diamant”, unser erstes französisches Buch, geschrieben hatte, hielt auf mehreren Vorträgen eine einleitende Rede. Er hatte die Tibeter ein paar Jahre zuvor “entdeckt” und eine Welle der Begeisterung für sie ausgelöst. Seine meisterhaft gemachten Filme und Bücher, die den Nerv der Zeit trafen, hatten die Klöster von Kanjur und Kalu Rinpoche mit wohlhabenden Franzosen gefüllt. Während Karmapa die Schwarze Krone hielt, wurden die Unterschiede zwischen tibetischem und Zen-Buddhismus viel offensichtlicher, als Worte es hätten beschreiben können. Die Zen-Anhänger saßen todernst und kerzengerade in ihren schwarzen Kleidern, während die Tibeter wie rote Häufchen aussahen. Sie flüsterten, lachten und bewarfen sich gegenseitig mit Reis. Manchmal schliefen sie sogar während der “allerheiligsten” Anlässe ein.

    Herr der Buddhaaktivitäten

    Die Vielfalt des Buddhismus wurde noch deutlicher, als wir zum Tempel des Zen-Lehrers Deshimaru, einem Kuppelbau in einem Hinterhof in Paris, eingeladen wurden. Zunächst sangen die Tibeter einige Wunschgebete, dann die Zen-Leute das Herz- Sutra , während sie sich im Takt verbeugten und auf einen Gong schlugen. Es wirkte militärisch, aber flott, und anschließend saßen sie wieder ganz steif da. Als der Lehrer danach umherging und sie mit einem flachen Stock auf den oberen Teil des Rückens schlug, was einen wach hält, aber nicht schmerzt, war es unserer Gruppe zuviel. Erst zogen Puntsog, der Jüngste, und dann einer nach dem anderen die Robe über den Kopf und rollten sich vor Lachen auf dem Boden. Nur Karmapa gelang es, keine Miene zu verziehen.
    Deshimaru war ein ungewöhnlicher Japaner, wie die meisten Samurai, großzügig und offen für das Gute an Frauen

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