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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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drogenfreien und hart arbeitenden Menschenschlag mit festen Familienbindungen. Von dem berühmten osttibetischen Kriegerstamm der Khampas, zu dem auch Karmapa gehörte, waren zwar nicht viele darunter, aber diese wilden und selbständigen Menschen hätten sicher auch nicht gut in die Schweizer Millimeter-Gesellschaft gepasst.
    Schon im Dezember 1973 waren wir nach Rikon gefahren, um dem Dalai Lama für seinen Besuch in Kopenhagen zu danken. Dabei bekamen wir mehr Einsicht in die tibetischen Machtverhältnisse, als uns lieb war. Mit den Jahren hörten wir wohl von den meisten politischen Machenschaften und lernten so, Religion von Politik zu trennen. Es bedarf heute noch oft aufgerollter Ärmel, um die Freiheit der Linie und die Reinheit der Lehre zu schützen, aber “viel Feind, viel Ehr”, wie man sagt.
    Karmapas Besuch wirbelte einiges auf. Kaum angekommen, sagte er: “Sie machen hier zu viel Politik.” Dann brach ein viertägiger Sturm los, wie ihn die Leute noch nie erlebt hatten. Die Dachziegel flogen, Bäume knickten um, und die Tibeter konnten ihre gewohnten Runden um das Kloster nicht mehr drehen. Der Sturm warf sie einfach um. Dieser äußere Rahmen passte gut zu den inneren Geschehnissen. Viele der Tibeter aus den Grenzgebieten waren so ungebildet, dass sie nicht wussten, wer Karmapa ist.
    Andere konnten oder wollten sich nicht benehmen. Bei der Kronzeremonie wurde den Anwesenden gesagt, dass sie nicht fotografieren durften, und dennoch gingen die Blitzlichter munter weiter. Als sogar die dritte Aufforderung nichts nutzte, sprang ich durch die Menge und schlug ihnen die Geräte aus den Händen. Das konnten sie verstehen. Es war ein Vergnügen, zu sehen, wie schnell das Mittel wirkte.

    Von Zürich aus schickte uns Karmapa für eine Weile nach Deutschland, um neue Gruppen zu starten. In Karlsruhe an der Pädagogischen Hochschule hielt ich meinen ersten öffentlichen Vortrag auf Deutsch. Ich dachte: “Hoffentlich zettle ich keinen deutsch-dänischen Krieg an.” Doch alle schienen zufrieden, und hinterher gab ich Zuflucht und Segen in einem Privathaus.
    Genf war der letzte Halt Karmapas vor seinem Rückflug nach Indien. Schultze lud uns alle ins “Parkhotel” ein. Dort konnten wir Karmapas Besuch abrunden und wichtige Richtlinien für die Zukunft festlegen. Inzwischen flog Karmapa mit Benson zu dem Hügel in der Dordogne, den dieser Karmapa schenken wollte. Dort hatten in den Jahren 40000 bis 10000 vor Christus die Cro-Magnon- und Aurinac-Menschen ihre jagdmagischen Bilder auf die Höhlenwände gemalt.
    Karmapa bestand beim Abflug des Hubschraubers trotz des strahlenden Frühlingstags darauf, einen Regenschirm mitzunehmen. Auf dem Land hob er einen außergewöhnlichen Stein auf und sagte: “So einen fanden wir auch, als wir Rumtek bauten.” Dann spannte er seinen Regenschirm auf, und plötzlich hagelte es aus einem wolkenlosen Himmel einige Minuten lang. Lächelnd sagte er: “Auch dies ist ein gutes Zeichen.”
    Die letzten Tage erweckten in vielen den Wunsch, das Schulgeld zurückzufordern. Vor Karmapa sitzend konnte Barry, ein amerikanischer Künstler, sein seit einem Brückensprung in Indien steifes Knie allmählich wieder bewegen.
    Als Karmapa und sein Gefolge schließlich abflogen, fehlten zwei nahe Freunde am Flughafen. Jigmela und Unzela hätten es nicht verkraftet, auf Wiedersehen zu sagen. Karmapa hatte sie gebeten, in Frankreich zu bleiben.
    Nun begann die Arbeit, die jede Erfahrung, Berge von Kraft und den größten Teil unserer Zeit, Tag und Nacht, von uns fordern würde. Karmapa hatte versprochen, bald wiederzukommen. Bis dahin wollten wir Mitteleuropa zusammenbringen. Die Freunde sollten vor allem die 16. Karmapa-Meditation lernen, die er uns als wichtigste Praxis gegeben hatte, und mit den Grundübungen anfangen.
    In Genf hielt ich einen Vortrag in meinem besten Französisch, und auf dem Weg nach Dänemark holten wir in Paris ein “Pitzner-Auto” ab. Unterwegs besuchten wir Freunde in Duisburg, die ersten Kontakte in dieser Gegend.
    Wir stoppten auch bei den immer noch verwirrten Leuten in Hamburg. Walli aus der Gruppe in Osterade rührte unser Herz. Mit ihr reiften die Pläne für Langwedel heran, einer buddhistischen Gemeinschaft bei Kiel. Sie reiste später mit mir, und wenn sie gefragt wurde, warum sie tat, was ich ihr sagte, antwortete sie engelhaft: “Was sollte ich sonst tun?”
    Danach ging sie für viele Jahre in Zurückziehung, übersetzte zusammen mit ihrem Mann Henrik

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