Über Alle Grenzen
herum entstanden und ist heute eine wichtige Pilgerstätte.
Dort lebte Khunu Lama, der uns 1972 in Bodhgaya als erster ein Mantra auf Buddha Shakyamuni gegeben hatte. Er wollte damals alles über Dänemark wissen, und ich sagte zu Hannah: “Wenn wir hören, dass er gestorben ist, müssen wir besonders bei der Liebe aufpassen. Wir haben keine Zeit für Nachwuchs, und er sucht sich bestimmt dänische Eltern für seine nächste Geburt.” Khunu Lama hatte sich jahrelang mit allen Heilslehren befasst, bevor er sich für den tibetischen Buddhismus entschied. Er war so gelehrt, dass ihm von der Regierung ein Aufnahmegerät zugeteilt worden war. Er besprach es in jedem freien Augenblick und redete vor allem über die Bedeutung von Lauten. Was Mantras und andere Schwingungen betrifft, wusste er Dinge, die niemand sonst kannte. Khunu Lama starb vermutlich, ohne sein Wissen weitergegeben zu haben. Tatsächlich ließ er sich an einem Vollmond im Dezember 1978 als Sohn einer dänischen Freundin und eines tibetischen Verwirklichers wiedergebären, die sich nachts in der Stupa in Bodhgaya zum Lieben versteckt hatten, um das bestmögliche Kind zu zeugen. Sie gebar das Kind nahe der B12 in Bayern während einer Fastenmeditation, und ich half dabei. Der Raum war voll weiblicher Buddhas. Gleich am nächsten Tag fuhr ich die Mutter und das Kind durch hohen Schnee von Süddeutschland nach Dänemark zurück.
Damals betreute Khunu Lama in Tsok Pema eine tibetische Frau mittleren Alters, die Drikung Khandro hieß. Als wir um die Ecke ihres Hauses traten, wandte sie sich um, und wir blieben alle wie angewurzelt stehen. Es war ein sofortiges Wiedererkennen. Sie sah aus wie eine kräftigere Ausgabe von Hannah. Als eine der berühmtesten Dakinis , wie die weiblichen Erleuchteten genannt werden, ist ihre Geschichte ein Stück Tibet: Siebzehn Jahre hatte sie allein meditiert, bis die Chinesen anfingen, Löcher in die Wände der Verwirklicherhöhlen zu schießen. Das plötzliche Licht ließ viele erblinden, die jahrelang in völliger Dunkelheit ihren Geist erforscht hatten; ihre Sehnerven hielten den Schock nicht aus. Es gelang, Drikung Khandro rechtzeitig herauszuholen, und eine Gruppe nahm sie auf die Flucht über den Himalaya nach Indien mit. Erst wollte sie kein Fleisch essen, die oft einzige verfügbare Nahrung. Als sie dadurch so schwach geworden war, dass die Leute sie tragen mussten, fielen große Tränen aus ihren Augen, und sie aß, was es gab. Wir redeten lange mit ihr. Sie gab uns Tsampa und wir ihr Proteinpulver und Geld. Als wir zum Abschied unsere Stirnen aneinanderlegten, blieb das Gefühl von ihr lange in mir lebendig. Sie war eine einmalige Frau.
Während eines wunderbaren Empfangs beim Dalai Lama in Dharamsala hatten wir genügend Zeit für alles. Dann fuhren wir so schnell wie möglich nach Delhi. Wir fanden die Namen der Leute aus unserer Gruppe im Visa-Buch der nepalesischen Botschaft und nahmen durch das Menschenmeer den Zug weiter nach Bodhgaya. Dort wartete der große Bus, der andere war nach Nepal gefahren. Trotz einiger kleiner Unfälle hatte Niels die Gruppe gut durchgebracht. In Dharamsala hatten auch sie versucht, den Dalai Lama zu treffen, was ihnen erst später in Delhi gelang. Der Empfang entsprach jedoch nicht ihren Erwartungen. Der Dalai Lama ist, obwohl im Exil, König und damit oberster Vertreter eines Landes, das es in der Welt schwer hat, sich international Ansehen zu verschaffen. Für seine Arbeit wäre es nützlicher gewesen, wenn die Gruppe in ihren besten Kleidern erschienen wäre. Als sie ungepflegt, aber voller Vertrauen dastanden, erlebten sie mehr Erziehung als Segen in seinen Worten.
Wir tauchten in seinen Kraftkreis ein
Karmapas Sekretär erwartete uns in Darjeeling, und nach einem Abstecher zu Ayang Tulkus Kloster in Südindien konnten wir endlich weiter nach Rumtek in Sikkim fahren, unserem eigentlichen Reiseziel. Wir erreichten es am 25. Dezember. Karmapa rief sofort in Delhi an und verschaffte allen eine zweiwöchige Aufenthaltserlaubnis. Die Gruppe wohnte in Rumtek bei Familien oder in Zelten, oft auf den flachen Dächern einiger Häuser, und nur wenige hatten Durchfall. Aus der Ruhe der Berge zurückblickend, wurde uns klar: Die hektischen vorhergehenden Wochen waren eine vorbereitende Reinigung und eine Härtetaufe gewesen, damit wir nun Karmapas Segen völlig annehmen konnten. Wir tauchten in seinen Kraftkreis ein und saugten ihn durch jede Pore auf. Er nahm sich unserer wirklich
Weitere Kostenlose Bücher