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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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tatsächlich nur für kurze Zeit nach Ladakh entlassen hatte und ihn danach mehrfach bat, erst seine Ausbildung in Rumtek zu beenden. Es ist lehrreich, seine Entwicklung zu verfolgen, da sie leider deutlich neben der von Karmapa in Rumtek eingeschlagenen Richtung verlief.

    Der tapfere Abt des Klosters hatte noch nie so etwas wie unsere Bande mit großen Knochen und blauen Augen gesehen. Um uns einordnen zu können, fragte er: “Gibt es Sonne und Mond, da wo ihr herkommt?” “Ja”, antwortete ich, “und sie haben dieselbe Farbe wie hier.” Diese Auskunft war wichtig, denn das bedeutete, dass wir aus demselben Universum stammten wie er. So konnte er sich entspannen. Er schenkte uns ein einmaliges Rollbild der Weißen Befreierin, das dem 13. Karmapa gehört hatte. Unsere Ärzte heilten seine Mönche, während wir die restlichen Geschenke heraussuchten.
    Tai Situpa gab einige Tage lang Belehrungen und Einweihungen, darunter Weisheitsbuddha auf dem Löwen, den wir das erste Mal bekamen und dessen Mantra ich danach laut im Traum hörte. Auch Hannah hatte besondere Träume.
    Bevor wir die Gruppe wieder ins Tiefland Indiens zurückschickten, besuchten wir zusammen noch einige Klöster.

    Der Besuch von Tikse Gompa war sehr bedeutend für mich. Ich bekam den Segen der Schützerin Weißer Schirm und erneuerte für dieses Leben meine Verbindung mit ihr. In einem ansonsten schmucklosen Raum spürte ich einen so starken Segen, dass ich ein Holzgitter aufbrach, um dahinter die Ursache zu finden. Dort stand Weißer Schirm - eine meterhohe Statue. In dem Augenblick, als ich hineinschaute, leuchteten ihre unzähligen Gesichter von einem scharfen Sonnenstrahl getroffen plötzlich auf. Sie zeigte ihre Zähne, fauchte und war unsagbar schön. Ich wusste, dass uns Weißer Schirm ab jetzt nie mehr verlassen würde. Einige Jahre später sollte sie bei Kassel mein Leben retten, und ihre tausend Gesichter und Arme sehen und schützen unsere Freunde überall.

    Weißer Schirm zeigt ihre Zähne, fauchte und war unsagbar schön

    Wir schickten die Reisegruppe voraus, solange das Wetter noch gut war, und wagten, ein halbes Jahr eingeschneit zu werden, um die wertvollen Belehrungen, die uns Tai Situpa geben wollte, erhalten zu können. Als erste Westler sollten wir in die sechs geheimen Lehren Naropas eingeweiht werden und dadurch die Energieseite des Geistes richtig kennen lernen. Wir schmolzen unter Situpas damals unverdorbenem Charme dahin.
    Der kommende Vollmond war ein großes Erlebnis, sowohl für uns in Zurückziehung, als auch für unsere Freunde auf dem Weg durch Nordindien. Sie mussten einen zerstörten Lastwagen samt Ladung aus dem Weg räumen, um weiterzukommen. Bei uns befand sich das ganze Kloster in Aufruhr. Sie erwarteten eine Mondfinsternis, was Naturmenschen überhaupt nicht gefällt. Die Tibeter nennen den Erdschatten “Za” und sagen, dass er zwei Münder habe. Frisst er den Mond mit dem einen Mund, wird er rot; frisst er ihn mit dem anderen, verschwindet der Mond ganz. Alle aus dem Kloster waren auf den Beinen, um mit großen Hörnern die Gefahr der Finsternis wegzublasen. Die angekündigte Zeitangabe von Dharamsala war “halb zehn”, während ein alter Sterngucker aus Rumtek, der immer das Mantra “Karmapa Tschenno” sagte, “halb drei” meinte. Er behielt Recht. Es war rührend, die Freude aller zu sehen, als der Vollmond sich auf der anderen Seite von Za wieder zeigte.

    Die nächsten drei Wochen verbrachten wir in geschlossener Zurückziehung und lernten die fortgeschrittenen Körperübungen.
    Als wir aus der dreiwöchigen geschlossenen Zurückziehung kamen, erwischten wir gerade noch den allerletzten Lastwagen über den Pass, bevor der Schnee die Straße bis April versperrte. Es war eine harte Fahrt; wir mussten Diesel, so dick wie Butter, aus einem Container kratzen und alle 20 Kilometer ein Feuer unter dem Mercedes machen, weil die Ölleitungen eingefroren waren. Glücklicherweise saßen wir aber im Wageninneren und nicht - wie zehn Jahre später in Tibet - hinten auf der Ladefläche.
    Da wir alleine reisten, konnten wir leicht Abstecher machen. Nachdem wir Mandi verlassen hatten, fuhren wir nach Tsok Pema, dem berühmten Lotus-See. Als Guru Rinpoche die Prinzessin Mandavara verführte, war ihr Vater so erbost, dass er das Paar auf einem Scheiterhaufen verbrennen ließ. Am nächsten Morgen, als er wiederkam, saßen die beiden immer noch in Vereinigung, nun jedoch auf einer Lotusblüte. Der See war um sie

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